Migranten jetzt schon in der Gedenkstätte
Probleme gebe es eher mit deutschen Schülern, sagte Morsch. »Deshalb halte ich es für problematisch, wenn sich die Debatte wieder auf Migranten beziehungsweise Flüchtlinge konzentriert und nicht gesehen wird, dass wir in der Mehrheitsgesellschaft auch solche Konflikte haben.«
Zwar kommen außerhalb von Schulbesuchen nur wenige Migranten in die Gedenkstätten, sagte Morsch. »2016 und 2017 bewegte sich die Zahl im einstelligen Bereich.« Dem Vorschlag der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) zu Pflichtbesuchen unter anderem von Integrationsklassen erteilte der Historiker dennoch erneut eine Absage. Pflichtbesuche seien ein »Zwangskorsett« und könnten auch das Gegenteil der erhofften aufklärenden Wirkung zur Folge haben. »Gedenkstätten sind keine antifaschistischen Durchlauferhitzer, sie sind nur ein Mosaikstein eines umfassenden Bildungsprogramms.«
Die Besucherzahlen in Sachsenhausen seien in den vergangenen 25 Jahren sehr stark gestiegen, sagte Morsch. Während 1993 noch knapp 170 000 Besucher gezählt wurden, kommen inzwischen jährlich mehr als 700 000 Menschen in die Gedenkstätte. Das historische Grundwissen über die Nazizeit sei zugleich bei jungen Besuchern weniger gut als früher. »Unsere Pädagogen müssen ein Drittel der Zeit auf die Vermittlung von geschichtlichen Basics verwenden«, erklärte Morsch. »Dergleichen müssten eigentlich Geschichtsunterricht und Elternhaus vermitteln.«
Der Direktor stellte zugleich den brandenburgischen Schulen ein gutes Zeugnis im Umgang mit der NS-Geschichte aus. »Das Thema wird in Brandenburg besser und intensiver behandelt als in Berlin«, betonte Morsch. So gebe es in Brandenburg inzwischen fast 2000 spezielle Gedenkstättenlehrer als Mittler zwischen Schulen und Gedenkstätten. Während die Zahl der Schulklassen, die Gedenkstätten wie Sachsenhausen und das Haus der Wannseekonferenz besuchen, in Berlin in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sei, sei die Zahl der Brandenburger Schulklassen gleich geblieben. epd/nd
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