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O-hoo-hoo, o-hoo-hoo!

Neues Album der Antifa-Rockband Feine Sahne Fischfilet

  • Nicolai Hagedorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Herren von Feine Sahne Fischfilet sind, so viel vorweg, durchaus feine Herren. Sie stellen sich jedem Nazi, den sie finden können, in den Weg. Gerade erst wurde Jan Gorkow alias »Monchi«, der Sänger der antifaschistischen Rockband, vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen - er hatte sich offenbar bei einer von Flüchtlingen organisierten Demonstration schützend vor die Demonstrierenden gestellt, als diese von Rechten angegriffen wurden. Mit derartigen Angriffen hat die Band unterdessen zahlreiche eigene Erfahrungen machen können, im Sommer 2017 verwüsteten Unbekannte den Proberaum. Doch gewiss werden sich Feine Sahne Fischfilet von derartigen Attacken nicht abhalten lassen, auch künftig Neonazis entgegenzutreten: Die Gruppe ist so etwas wie die furchtloseste und lauteste Stimme gegen den aufkommenden Faschismus im Osten der BRD. Nun also eine neues Album: »Sturm & Dreck«.

»Der Böll war als Typ wirklich klasse / Da stimmten Gesinnung und Kasse / Er wär’ überhaupt erste Sahne / Wären da nicht die Romane«, dichtete Robert Gernhardt in den 90er Jahren über den Schriftsteller Heinrich Böll. Auch Feine Sahne wären rundum erste Sahne, wäre da nicht die Musik.

Auf »Sturm & Dreck« findet sich nichts Überraschendes, kaum einmal eine gute, geschweige denn neue Idee, stattdessen ist alles, was sich bewegen könnte, entweder mit Gitarrenwänden, »O-hoo-hoo«-Gegröle oder süßlichen Kitschmelodien zubetoniert. Die Band ist kaum in der Lage, Dynamik zu entwickeln. Als Hörer hat man oftmals den Eindruck, die Musik irgendwie anschieben zu müssen. Zu Vinyl-Zeiten hätte man vielleicht angenommen, es mit einem defekten Plattenspieler zu tun zu haben. Die Kompositionen sind ein Gitarren-O-hoo-Brei, und so plätschert und schunkelt das alles dahin, nicht einmal die Bläser können die Songs aus ihrer Monotonie holen, oft wird auch einfach die Gesangsmelodie mittrompetet.

Eine einsame Ausnahme von der Tristesse bildet der Punkrock-Kracher »Dreck der Zeit«, der sogar ein echtes Gitarrenriff und Tempo hat und nicht den Eindruck macht, auf einen Rollator angewiesen zu sein. Sänger Monchi schreit und keift, was deutlich besser klingt als seine Gesangsversuche in praktisch allen anderen Tracks. »Dreck der Zeit« ist ein Highlight, mit dem die Band zeigt, dass sie theoretisch dazu in der Lage ist, einen soliden Punkrocksong zu schreiben.

Der Opener »Zurück in unserer Stadt« ist zwar ein sicherer Live-Mitgröler und auch hier mühen sich die Musiker redlich um Tempo und Melodie (und mit Breaks um etwas Abwechslung), der Song ist aber so schlicht konstruiert und steuert derartig zielsicher auf die Singalongs zu, dass er im Grunde schon nach dem ersten Hören gegessen ist: »Wir sind zurück in unserer Stadt / Mit zwei Promille durch die Nachbarschaft / … / Und scheißen vor eure Burschenschaft / O-hoo-hoo, o-hoo-hoo«.

Womit das nächste Problem der zwölf Lieder auf »Sturm & Dreck« offenbar wird: Textlich ist das alles ungefähr genauso beschränkt wie musikalisch. Über die Anti-Nazi-Attitüde, Freundschafts-, Alkohol- und Heimatseligkeit hinaus fällt der Band praktisch nichts ein. Absoluter Tiefpunkt in jeder Hinsicht ist das Kinder-Schunkellied »Wo niemals Ebbe ist«. Ein solches Akkordegeschrubbe dürfte selbst Klaus & Klaus zu peinlich sein, Feine Sahne Fischfilet kennen hingegen keinerlei Hemmungen, beweinen den Niedergang des Heimatdorfs und trällern: »Wir leben da / Wo niemals Ebbe ist / Ein wahrer Freund / Zu weit entfernt / … / Du fehlst mir doch so sehr«.

Von all dem dürfte sich die treue Fangemeinde nicht schrecken lassen, geschweige denn die Band selbst, die mit »Alles auf Rausch« zumindest Problembewusstsein zeigt. »Ich kann immer noch nicht singen / Und spiel jetzt bei Rock am Ring«, heißt es da, und: »Alles auf Rausch / Unterschätzt uns, lacht uns aus«.

Auslachen sollte man Feine Sahne Fischfilet aus vielen Gründen nicht, dafür ist ihnen ihre Sache und ihr politisches Engagement zu ernst und richtig, unterschätzen kann man ihre Musik aber, beim besten Willen und mit allem Respekt, nicht. Unmöglich.

Feine Sahne Fischfilet: »Sturm & Dreck« (Audiolith Records)

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