Dschihadisten um Idlib in Bedrängnis

Syrische Armee im Nordosten in der Offensive / Fluchtbewegungen in Richtung Türkei / Heftiger Protest aus Ankara

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.

Begleitet von massiven Luftangriffen erreichten Syriens Streitkräfte am Mittwoch die Militärbasis Abu al-Duhur, die etwa 45 Kilometer südlich von Aleppo und 40 Kilometer östlich von Idlib liegt. Seit 2012 war die Basis zunächst von der »Freien Syrischen Armee« belagert und teilweise besetzt worden. 2015 übernahm die Nusra-Front die Kontrolle. 71 syrische gefangengenommene Armeeangehörige wurden hingerichtet.

Die Rückeroberung der Militärbasis wäre ein wichtiger strategischer Erfolg für die syrische Armee. Ziel der aktuellen Offensive ist, die dschihadistischen Milizen im Osten der Provinz Hama von denen in der Provinz Idlib zu trennen und einen von der syrischen Armee kontrollierten Korridor in Richtung von Aleppo zu etablieren.

Für beide Gebiete gilt seitens der Armeeführung, was seit 2014 für alle Kampfzonen angewandt wurde: Wer von den bewaffneten Regierungsgegnern einem Waffenstillstand zustimmt und die Waffen niederlegt, kann in ein Amnestieabkommen integriert werden. Kämpfer, die das ablehnen, könnten - sollte es zu Verhandlungen kommen - in ein Gebiet unter Kontrolle der bewaffneten Gruppen oder der Türkei, zum Beispiel Idlib oder Jarabulus nahe der türkischen Grenze, abziehen. Sowohl das Bündnis um die Nusra-Front - »Koalition zur Eroberung der Levante« - als auch die in der Region noch verbliebenen Einheiten des Islamischen Staates (IS) lehnen bisher jedoch jegliche Vereinbarungen mit der syrischen Armee ab.

Die zugespitzte militärische Situation führt immer wieder zu blutigen Machtkämpfen unter den verschiedenen Milizen. Am Sonntag waren bei zwei Autobombenanschlägen in der Provinzhauptstadt Idlib Dutzende Menschen getötet worden. Einer der Anschläge traf das Hauptquartier einer tschetschenischen Dschihadistengruppe (siehe Foto).

Die Lage für Zivilisten wird derweil immer schwerer, Tausende Menschen haben die Flucht in Richtung der türkischen Grenze angetreten. Das UN-Büro für Nothilfe (OCHA) in Damaskus sprach von einer »extrem schlimmen Lage«. Der neue Leiter von OCHA, Mark Lowcock, befindet sich derzeit zu einem dreitägigen Besuch in Syrien. Mehr als 60 000 Menschen sollen OCHA zufolge seit Anfang November aus den umkämpften Gebieten von Idlib geflohen sein. Die Lager für Inlandsvertriebene in Idlib seien voll, das kalte und nasse Winterwetter erschwere die Versorgung. Nach UN-Angaben leben in Idlib derzeit mehr als 2,5 Millionen Menschen, darunter mehr als eine Million Inlandsvertriebene. Die meisten der Menschen könnten versuchen, in die angrenzende Türkei zu gelangen.

Die Türkei, die mit den bewaffneten Gruppen und mit der Nusra-Front in Idlib kooperiert, protestiert gegen die militärische Offensive der syrischen Streitkräfte. Iran und Russland - mit denen die Türkei die Astana-Vereinbarungen über Deeskalationsgebiete in Syrien garantiert - müssten die Offensive stoppen, forderte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Der Einsatz widerspreche der Vereinbarung für das Deeskalationsgebiet in und um Idlib. Die Botschafter Irans und Russlands wurden ins Außenministerium einbestellt. Dem US-amerikanischen Geschäftsträger wurde in Ankara ebenfalls eine Protestnote überreicht. Dabei ging es allerdings um die anhaltende US-Unterstützung für die kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Nord-syrien.

Sowohl Idlib als auch die östliche Ghouta bei Damaskus gelten als »Deeskalationsgebiete«. Die Vereinbarung sieht einen Waffenstillstand vor, humanitäre Hilfe und Lebensmittel sollen in die Gebiete gelangen, die so genannten »moderaten« Kampfgruppen sollen sich jedoch von extremistischen Verbänden trennen. Der IS und die Nusra-Front sind von der UNO als »Terrorgruppen« gelistet. Das Vorgehen von Russen und Syrern gegen sie und ihre Verbündeten gilt daher als legitimer »Kampf gegen den Terror«.

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