»Journalisten können nirgendwo sicher arbeiten«

Reporter in der Ukraine machen ihren Job unter widrigen Bedingungen / Anfang Februar beginnt die Aufarbeitung des Mordes an Oles Busyna

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 9. Februar wird die Ukraine auf das Schewtschenko-Gericht schauen, das an diesem Tag die erste Vorbereitungssitzung bezüglich des Mordes an dem bekannten Journalisten Oles Busyna austrägt. Im April 2015 wurde Busyna, der eher prorussisch eingestellt war, aus einem Auto heraus im Hof seines Wohnblocks erschossen. Doch ob die angeklagten Nationalisten Andrij Medwedko und Denys Polyschtschuk tatsächlich mit dem Mord zu tun haben, ist zumindest zweifelhaft.

Ebenfalls wenig haben bisher die Ermittlungen im Falle eines anderen prominenten Journalisten, Pawel Scheremet, ergeben, der im Sommer 2016 in seinem Auto in die Luft gesprengt wurde. Anders als Busyna war der aus Belarus stammende Scheremet eher dem prowestlichen Lager zuzurechnen.

Im vergangenen Jahr war es nicht besser. »Leider muss ich mitteilen, dass 2017 ein sehr schlechtes Jahr für die Sicherheit der ukrainischen Journalisten war«, berichtet Serhij Tomylenko, Vorsitzender des ukrainischen Journalistenverbandes NSJU. »Wir haben im ganzen Jahr fast 100 Fälle registriert, in denen Gewalt gegen Journalisten eingesetzt wurde.« Das würde umgerechnet im Durchschnitt einen Angriff in vier Tagen bedeuten - eine sogar für ukrainische Verhältnisse hohe Quote.

In 14 Fällen haben Beamte und Abgeordnete direkt Gewalt gegen Journalisten eingesetzt, in acht weiteren Fällen mischen Polizisten und Vertreter anderer Sicherheitsbehörden mit. Dabei wird die Gewalt gegen Journalisten meistens in der Stadt sowie im Bezirk Kiew angewendet, wichtige Städte wie das südukrainische Odessa zeigen sich ebenfalls ganz vorne. »Das zeigt leider, dass Journalisten nirgendwo in unserem Land wirklich sicher arbeiten können«, sagt Tomylenko. »Wir sind diesbezüglich sehr stark in den 90ern geblieben, als das noch wirklicher Alltag war. Und eine klare Tendenz nach vorne kann ich immer noch nicht beobachten.«

Ein wichtiger Grund, warum die Gewalt gegen Journalisten so weit verbreitet ist, bleibt die ukrainische Justiz. Dabei geht es nicht nur um die großen Fälle Busyna oder Scheremet, über die das ganze Land spricht. So löste neulich eine Entscheidung bezüglich des Mordes an Wjatscheslaw Weremij, dem Journalisten der Zeitung »Westi«, große Empörung unter Journalisten aus. Weremij wurde im Laufe der Maidan-Revolution im Winter 2014 im Zentrum Kiews erschossen - offenbar zufällig. Einer der Täter wurde vor wenigen Wochen zwar als schuldig verurteilt, die Strafe jedoch auf Bewährung ausgesetzt.

»Es ist ein Skandal«, betont Tomylenko. »Es gibt Indizien dafür, dass dieser Mittäter Aufträge der wichtigen Leute in den Behörden erhält und erfüllt. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum das Urteil letztlich so milde ausgefallen ist.« Dass die Täter gerade bei den Fällen, die mit Journalisten zu tun haben, sehr oft keine oder eben eine niedrige Strafe bekommen, kann kein gutes Zeichen sein. »Ich will mit meiner Kritik nicht sagen, nur die Ukraine hätte solche Probleme«, sagt Tomylenko. »In jedem Land kann ein Journalist von der Polizei geschlagen werden. Der Unterschied ist nur: In der zivilisierten Welt entschuldigt sich die Polizei dafür. In der Ukraine aber werden solche Maßnahmen mit allen Mitteln verbal verteidigt.«

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