»In der Hitze des Gefechts«
Kroatiens Handballtrainer sorgt bei der EM für Eklat
Zagreb. Die Stimmung in der Arena kocht, Gastgeber Kroatien droht ein weiterer Rückschlag auf seiner Goldmission - da brennen bei Lino Cervar die Sicherungen durch. 30 Sekunden vor dem Ende greift Kroatiens Nationaltrainer in der Partie gegen Belarus direkt ins Spielgeschehen ein: Er hält den gegnerischen Spieler Artur Karvazki für einen Moment am Oberkörper fest. Wenige Augenblicke später bekommt Karvazki den Ball. Statt den Ausgleich zu erzielen, begeht er ein Stürmerfoul. Kroatien trifft im Gegenzug zum Sieg.
»Ich habe ihn zufällig erwischt. Es war aus Versehen«, sagte Cervar zu der Szene, die am Freitag hohe Wellen schlug. Der 67-Jährige beteuerte, es sei »in der Hitze des Gefechts passiert«. Doch der europäische Verband leitete ein offizielles Verfahren gegen Cervar ein. Egal, wie die Ermittlungen ausgehen: Die Handball-EM hat nach dem Wirbel um den Videobeweis im deutschen Spiel gegen Slowenien ihren nächsten Eklat. Kroatien wahrte durch den 25:23-Zittersieg gegen Belarus zwar seine Halbfinalchancen. Doch Cervar droht eine Sperre, im schlimmsten Fall sogar der Turnierausschluss.
In der Handballszene sorgten die Bilder von Cervars Grenzüberschreitung für einen Sturm der Entrüstung, in den sozialen Netzwerken liefen die TV-Bilder der skurrilen Situation am Freitag rauf und runter. »Neuer Skandal bei der Handball-EM«, titelte das kroatische Nachrichtenportal »Index«.
Der frühere schwedische Bundesligaspieler Martin Frändesjö polterte im schwedischen Fernsehen: »So etwas habe ich noch nie gesehen, er hat alle Grenzen überschritten.« Joachim Boldsen, langjähriger Flensburger Bundesligaspieler, ging im norwegischen Fernsehen noch einen Schritt weiter: »Es ist völlig verrückt. Er muss jetzt aus dem Turnier ausgeschlossen werden.« Aber es werde »wahrscheinlich nichts passieren. Die EHF ist sehr schlecht, wenn es um einen Heimtrainer geht.«
So oder so droht Kroatien am Sonnabend das jähe Ende des Titeltraums. Mit Vizeweltmeister Norwegen wartet der Geheimfavorit. Und während die Skandinavier mit viel Selbstvertrauen aus dem 32:27 zum Hauptrundenauftakt gegen Serbien ins Spiel gehen, war die Leistung Kroatiens gegen Belarus ohne ihren verletzten Kapitän Domagoj Duvnjak wie schon zuvor im letzten Vorrundenspiel gegen Schweden (31:35) nicht medaillenwürdig. SID/nd
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