Mehr ist mehr

Paul Bocuse gestorben

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Paul Bocuse, der »Papst der französischen Gastronomie«, ist am Sonnabend im Haus seiner Familie, dem Gasthof von Collonges-au-Mont-d'Or bei Lyon, im Alter von 91 Jahren gestorben. Im selben Haus wurde er 1926 in eine Familie hineingeboren, die seit Generationen Küchenchefs hervorgebracht hat. Ganz selbstverständlich folgte der kleine Paul ihrem Beispiel und erlernte den Beruf in einem Restaurant in Lyon, das als Hauptstadt der französischen Küche gilt. Anschließend kehrte er an den heimischen Herd zurück, wo er - zunächst zusammen mit seinem Vater - für den Gasthof der Familie Bocuse mit neuen kulinarischen Kreationen 1958 einen ersten Stern im Michelin-Restaurantführer errang, 1962 den zweiten und 1965 den dritten. Diese höchste Anerkennung hat das Restaurant bis heute, seit mehr als 50 Jahren verteidigt, was einen internationalen Rekord darstellt.

Als in den 1960er Jahren die »Neue französische Küche« mit leichten Gerichten, kleinen Portionen und oft überraschenden Geschmackserlebnissen in Mode kam, hat Paul Bocuse sie mit dem Urteil »Geviertelte Erbsen auf dem Teller, dafür viel auf der Rechnung« verspottet. Er setzte auf traditionelle Küche mit großzügigen Portionen aus hochwertigen heimischen Produkten, »mit Butter und Creme, Knochen und Gräten«, wie er betonte. Damit hat er sich auch noch an der Spitze behauptet, als die »Nouvelle Cuisine« längst vergessen war. Bocuse, der vom Gastronomieführer Gault & Millau wie auch vom Culinary Institute of America (CIA) zum »Koch des Jahrhunderts« gewählt wurde, hat in vieler Hinsicht neue Wege eröffnet, auf denen ihm bis heute viele Köche nachgefolgt sind. So hat er nicht nur neue Gerichte entwickelt, sondern auch Geschirr und Gläser, Töpfe und Pfannen, die unter seinem Namen hergestellt wurden. Er kochte als Erster in Europa im Fernsehen. Angesichts des großen Andrangs ausländischer Gäste in seinem Restaurant wagte er es als erster französischer Gastronom, eigene Restaurants in Japan, den USA und anderen Ländern zu eröffnen - und auf der seinem Namen angemessenen Höhe zu halten. Andererseits hat er aber auch als erster namhafter Küchenchef hochwertige Fertiggerichte für Supermarktketten entwickelt.

Sein Unternehmen, in dem inzwischen seine Kinder und deren Ehepartner die Kochlöffel schwingen oder die Bücher führen, macht einen Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro, aber »Geld interessiert mich nur insoweit, als ich damit Neues schaffen kann«, sagte Bocuse. Viel Kraft hat er in die Aus- und Weiterbildung von Köchen gesteckt. Er hat drei Kochschulen in Frankreich, Japan und den USA gegründet und Berufswettbewerbe veranstaltet. Als anerkannter Meister seines Fachs wurde er von seinen Kollegen immer in die erste Reihe gestellt, wenn es galt, die französische Gastronomie international zu vertreten, beispielsweise als sie von der UNESCO als »Immaterielles Weltkulturerbe« anerkannt wurde.

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