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Sind Agrarmaschinen im Spiel?
Das ist nicht das Leben in der Stadt: In »Mauerpfeffer« erzählt Nataša Kramberger von ihren ländlichen Lernprozessen
Von Naturliteratur wird der Markt nicht gerade überschwemmt. In den 80er Jahren boomte im Westen Naturlyrik, auch in die Jahre gekommene Beats versuchten sich an Gedichten über Eichelhäher und Falke. Klimawandel war kein Thema – oder doch, hieß damals nur anders. Dann kamen Privatfernsehen, Internet, Globalisierung, »soziale« Netzwerke – und der Wald starb doch nicht wie prognostiziert »in spätestens 20 Jahren«. Angeblich gibt nun es bald keine Bienen mehr. Ja, wo leben wir denn?
Heute ist der Klimawandel in aller Munde, es klingt nicht immer gut. Die slowenische Autorin Nataša Kramberger hat nun im Verbrecher-Verlag ein Buch publiziert, in dem das Thema auch vorkommt. Da es kein Sachbuch ist, lässt es erst einmal aufhorchen. Es beginnt praktisch damit, dass eine Buche und eine Fichte von einem Hang stürzen und beinahe die Mutter der Autorin erschlagen. In der Folge erhalten wir dürre Lektionen. Touristen ertragen die Stille auf dem slowenischen Land nicht: »Vor lauter Stille können sie nicht schlafen.«
Kramberger hat mit Anfang 30, als sie bereits seit zwölf Jahren in Deutschlands Hauptstadtdorf Berlin lebte, einen Bauernhof in Jurovski Dol, ihrem Geburtsort, übernommen, 1000 Kilometer von Berlin entfernt. »Drei Hektar Land und ein Hektar Wald, ein verlassener Stall ohne Fassade mit undichtem Dach sowie ein Haus aus Lehm und Stroh aus dem 18. Jahrhundert.« Den Hof hatte die Mutter als Investition gekauft, aber nie bewirtschaftet. Gekauft, aber nicht abbezahlt. Wenig überraschend taucht am Karfreitag der ersten Saison ein alter Geldeintreiber auf, mit einem Haufen aggressiver Schwingungen unterm Arm. Dann wird es unwirsch.
»Mauerpfeffer« versammelt weitergehende Überlegungen zu Krambergers Roman »Verfluchte Misteln« von 2021, in dem sie ausführlich von ihrem Auszug auf den slowenischen Bauernhof und den schwierigen Versuchen, ihn zu bewirtschaften, erzählte. Allgemein geht es ihr ums Landwirtschaften. Versteht sie das? Kann sie dem Leser folgen – oder umgekehrt? Das sind die spannenden Fragen in diesem Buch. Surrealistisch wird es beispielsweise, wenn sie bereits im ersten Jahr »etwa zweihundert Setzlinge unterschiedlichster Pflaumensorten« pflanzt. Man liest nichts von Treckern, von Arbeitsgeräten oder Erntehelfern. Auch nicht von Drohnen, ohne die kaum noch ein Biobauernhof auskommt.
Nataša Kramberger stellt sich als Eine-Frau-Armee dar, die bis zum Horizont reichende Distelfelder mit den bloßen Händen rodet. Die aber zugibt, dass sie keine Ahnung hat, und deswegen Aussaatkalender goutiert (die natürlich nicht funktionieren, schuld ist der Klimawandel). Dabei würde ein Blick zum Himmel (Mondphasen) doch genügen. Der Rest ist Improvisation, Intuition und ein bisschen Glück.
Improvisiert wirkt vor allem die Schreibe der Autorin über das Leben da draußen. Der Spagat zwischen dem selbst gewählten Schriftstellerinnendasein in der provinziellen Metropole und dem selbst gewählten Erdwühltraum in einem Tal Sloweniens wirkt öfters wie ein innerer Stierkampf. Anspruch und Arbeitseifer bleiben sich fremd. Effizienz ist verpönt. Die Landwirte um sie herum nehmen sie zunächst nicht ernst. Sie kommt, ohne irgendetwas zu wissen, das aber besser. Dass sie keinen »Winterschlaf« mache, sondern »Winterschreiben« (in Berlin), versteht vielleicht nicht jeder Feldmensch. Dialoge gibt es nicht, denn das hier ist keine Unterhaltungsliteratur, eher ein Flickenteppich aus Kürzest-Essays.
Gegen Ende erfährt man, dass ihr Vater Bauer ist, dass sehr wohl Agrarmaschinen im Spiel sind und sie auf ihrem Hof ein Öko-Kunstkollektiv namens Zelena Centrala betreibt. Ihr neues Buch ist auch Ausdruck eines ländlichen Lernprozesses. So will sie die Bauern auch nicht dafür verurteilen, dass sie ihre Böden spritzen, sondern macht sich Gedanken über die wirklich Verantwortlichen der ökologischen Dauerkrise.
Das Ende dieses Buches (was ja immer nur ein Anfang sein kann) ist am stärksten, da werden die Worte Krambergers beinahe zum postanarchistischen Pamphlet, Poesie bricht sich Bahn: »Denn all diese Namen, die umgangssprachlichen, volkstümlichen, dialektalen, lustigen, poetischen, drohenden, erinnernden, erzählenden, groben, leckeren, heiklen, klaren …, zeugen von einer einzigen, derselben und unverwechselbaren Überlieferung unserer Erde: der Kunst des Überlebens. Des edlen und fruchtbaren; widerspenstigen und kämpferischen. Des einen, gemeinsamen: ganzheitlichen.« Mauerpfeffer halt.
Nataša Kramberger: Mauerpfeffer. A. d. Slow. v. Liza Linde. Verbrecher-Verlag, 126 S., br., 16 €.
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