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Galaxien werden schnell erwachsen

Schon in der Frühzeit des Universums zeigten Galaxien eine ausgeprägte Rotationsstruktur

  • Dirk Eidemüller
  • Lesedauer: 4 Min.

Nur wenig ist von den frühen Galaxien im Universum bekannt. Von ihnen trennen uns nicht nur enorme Distanzen, so dass ihr Licht extrem schwach ist. Zum Zeitpunkt, als sie ihr Licht aussandten, war das All auch von neutralem Wasserstoffgas erfüllt, das in astronomisch wichtigen Spektralbereichen Licht streut oder absorbiert. Das macht Untersuchungen schwierig. Erst die intensive Strahlung der jungen Galaxien mit hoher Sternentstehungsrate hat zur sogenannten »Reionisierung« der kosmischen Materie geführt: Die starke Ultraviolett-Strahlung der allerersten Riesensterne hat das dünne, neutrale Wasserstoff-Gas im All ionisiert und dadurch in den für die Astronomen interessanten Spektralbereichen durchsichtig werden lassen.

Eine für die Astronomie besonders wichtige Spektrallinie, die Lyman-Alpha-Linie, wird von neutralem Wasserstoffgas stark gestreut und eignet sich deshalb nur bedingt für Untersuchungen der frühesten Galaxien. Dank der außergewöhnlichen Fähigkeiten des internationalen Radioteleskops ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) sind inzwischen aber auch hochaufgelöste Analysen bei einigen anderen interessanten Wellenlängen möglich. Ein internationales Astronomenteam um Renske Smit von der Universität Cambridge hat nun mit Hilfe von ALMA sowie des Weltraumteleskops Hubble zwei weit entfernte Galaxien unter die Lupe genommen - zu einem Zeitpunkt von nur rund 800 Millionen Jahren nach dem Urknall. Die Ergebnisse stellen die Forscher im Wissenschaftsjournal »Nature« (DOI: 10.1038/nature24631) vor.

Zur Charakterisierung der Galaxien wählten die Wissenschaftler eine Spektrallinie von Kohlenstoff. Diese Linie mit einer Wellenlänge von 157,74 Mikrometern stammt von einfach ionisiertem Kohlenstoff und ist ein Hinweis auf abkühlendes Gas. Nach Annahme der Astronomen sollte diese Spektrallinie im frühen Universum ziemlich stark gewesen sein. Bislang war es jedoch nicht gelungen, Galaxien aus der kosmischen »Kinderstube« anhand dieser Kohlenstoff-Linie zu identifizieren.

Damit wollten die Forscher insbesondere die Frage beantworten, ob diese frühen Galaxien bereits eine deutlich erkennbare Rotation besitzen. Dies gilt als ein Indikator für die »Reife« einer Galaxie, denn nach vielen Jahrmillionen bildet sich ähnlich wie in einem Wasserwirbel eine klare Rotationsstruktur heraus. Junge Galaxien, die große Mengen von interstellaren Gas aufnehmen oder die mit anderen Zwerggalaxien fusionieren, zeigen meist eine eher ungeordnete Struktur. Zusätzlich entstehen in jungen Galaxien mit großen, aufeinander prallenden Gasmassen auch Regionen, wo sehr viele neue Sterne entstehen. Diese schnell verglühenden, massiven Sterne enden häufig in einer Supernova. Diese Sternexplosionen wirbeln die galaktischen Gasmassen durcheinander und verzögern eine geordneten Rotation.

Die Wissenschaftler erwarteten bei den beiden nun untersuchten Galaxien deshalb eigentlich eine eher chaotische Struktur und keinen wohlgeordneten Drehsinn. Im Licht der Kohlenstoff-Linien, das 12,9 Milliarden Jahre unterwegs war, zeichnete sich aber eine deutlich Rotationsstruktur ab. Diese wies ähnliche dynamische Eigenschaften auf wie das Licht späterer Galaxien, die sich über die Lyman-Alpha-Linie charakterisieren lassen. Diese rund zwei Milliarden Jahre älteren Galaxien bestehen aus einer turbulenten, aber ausgeprägten Scheibe mit deutlich erkennbarem Drehsinn. Die Messungen sind noch kein zwingender Nachweis, dass die beiden nun untersuchten Galaxien bereits genau diese Struktur aufweisen. Die Signale sind sehr schwach und könnten zumindest teilweise auch von anderen Prozessen stammen.

Eine Möglichkeit wäre die Verschmelzung von Galaxien, von denen mindestens eine die Kohlenstoff-Linie emittiert. Auch aus- oder einströmende Gasmassen könnten ein solches Signal hervorrufen. Die plausibelste Erklärung für die großflächig sichtbare Rotationsstruktur ist jedoch eine geordnete Gesamtrotation der Galaxie. Die Daten sind deshalb ein wichtiger Hinweis, wie schnell sich bereits einige der ersten Galaxien entwickeln konnten, als das Universum erst sechs Prozent seines heutigen Alters hatte.

»Für Galaxien in der ersten Epoche der Galaxienentstehung, wie wir sie nun untersucht haben, haben wir noch nie die Geschwindigkeitsstruktur ihrer Gasmassen gesehen«, sagt Renske Smit. Anhand der gewählten Methode werden sich aber in Zukunft weitere Galaxien untersuchen lassen - und damit lässt sich auch die Frage beantworten, wie schnell Galaxien »erwachsen« werden.

Die Einschätzung, wie entwickelt Galaxien zu diesem frühen Zeitpunkt der kosmischen Geschichte bereits waren, hängt aber nicht allein von ihrer Rotation ab, sondern auch von ihrer chemischen Zusammensetzung. Da die erste Sternengeneration allein aus Wasserstoff und Helium bestehen konnte und die schwereren chemischen Elemente erst aus der Asche dieser Sterne hervorgingen, werden kommende Messungen an so frühen Galaxien insbesondere die Häufigkeit der verschiedenen Elemente untersuchen. Vielleicht wird das James-Webb-Weltraumteleskop Antworten liefern, das für solche Bestimmungen geeignet ist und dessen Mission im kommenden Jahr beginnen soll.

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