- Berlin
- Stadtreinigung mit Nazi-Vergangenheit
Besser spät als nie
Johanna Treblin begrüßt die Aufarbeitung der BSR-Geschichte
Jetzt soll auch die nationalsozialistische Vergangenheit der Berliner Stadtreinigung (BSR) untersucht werden. Das städtische Unternehmen hat eine entsprechende Ausschreibung veröffentlicht. Demnach soll die Untersuchung im Mai starten und bis April 2020 beendet sein. Die Bewerbungsfrist ist kürzlich abgelaufen, Informationen zu möglichen Bewerbern gibt es noch nicht. Zunächst berichtete der »Tagesspiegel«.
Eine Auseinandersetzung mit den Jahren der Müllabfuhr unter nationalsozialistischer Herrschaft ist offensichtlich dringend notwendig: Beim ersten Blick auf die Geschichte der BSR in Internetarchiven sind die Jahre von 1935 bis 1945 ein blinder Fleck. Auf den zweiten Blick findet sich zumindest diese Information: Gustav Erdmann, Direktor des Unternehmens, das bis 1935 noch Berliner Müllabfuhr hieß, ein Sozialdemokrat, wurde 1933 von den Nazis von seinem Posten verdrängt und durch einen SS-Mann ersetzt. In anderen Dokumenten finden sich Angaben über Zwangsarbeiter, die nach 1933 bei der Müllabfuhr eingesetzt waren. Ein Teil dieser Geschichte hat der Verein »Saubere Zeiten« aus alten Dokumenten herausgearbeitet und dem Dokumentationszentrum Zwangsarbeit bei der Stiftung Topographie des Terrors zur Verfügung gestellt.
Die BSR erhofft sich nun durch die Analyse von Quellenmaterial und die Befragung von Zeitzeugen neue Einsichten. Dafür ist es fast schon zu spät. Die meisten Menschen, die die Nazizeit noch erlebt haben und nicht schon zur Zeit des Nationalsozialismus im Konzentrationslager ermordet wurden, sind längst gestorben. Doch besser eine späte Aufarbeitung der Geschichte als gar keine.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.