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Metropolitan
Jury gibt Einladungen bekannt
Zu Anfang eines jeden Jahres, wenn die Jury ihre Einladungen zum Berliner Theatertreffen bekannt gibt, vollzieht sich die Wiederkehr des Immergleichen: Feministisch bewegte Geister beklagen den geringen Frauenanteil im Bereich der Regie, provinzfreundlich eingestellte Betriebskenner kritisieren das Überangebot an Häusern aus Metropolen, Schweizer und Österreicher sehen die Schauspielstätten des je eigenen Landes nicht genug gewürdigt. Am Dienstagmittag präsentierten die Juroren im Haus der Berliner Festspiele ihre Auswahl für das nächste Theatertreffen, das vom 4. bis zum 21. Mai in Berlin über die Bühne gehen wird.
Erwartungsgemäß fanden sich binnen kürzester Zeit unter dem Hashtag Theatertreffen bei Twitter alle drei Kritikpunkte zu dieser Auswahl: »Rückkehr nach Reims« (Schaubühne Berlin, Regie: Thomas Ostermeier), »Die Welt im Rücken« (Burgtheater Wien, Regie: Jan Bosse), »Die Odyssee« (Thalia-Theater Hamburg, Regie: Antú Romero Nunes), »Trommeln in der Nacht« (Münchner Kammerspiele, Regie: Christopher Rüping), »Nationaltheater Reinickendorf« (Berliner Festspiele, Regie: Vegard Vinge/Ida Müller), »Beute Frauen Krieg« (Schauspielhaus Zürich, Regie: Karin Henkel), »Am Königsweg« (Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: Falk Richter), »Faust« (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin, Regie: Frank Castorf), »Woyzeck« (Theater Basel, Regie: Ulrich Rasche) sowie »Mittelreich« (Münchner Kammerspiele, Regie: Anta Helena Recke).
Man könnte meinen, die Jury bringe die Nörgler absichtlich auf die Palme: Bei drei der zehn Inszenierungen sitzt eine Frau (mit) auf dem Regiestuhl. Die ausgewählten Theater befinden sich in Berlin, Hamburg, München, Wien, Zürich und Basel. Und die Liste enthält sieben Aufführungen aus Deutschland, zwei aus der Schweiz und eine aus Österreich. Besteht die Jury somit nur aus deutschnationalen Großstadt-Machos?
Der Verzicht auf wohlfeile Reflexempörung lohnt immer, in diesem Fall sogar ganz besonders. Das Theatertreffen lädt nicht die »besten«, sondern »bemerkenswerte« Inszenierungen ein. An deutschsprachigen Theatern beträgt der Frauenanteil in der Regie gut 30 Prozent. Das spiegelt sich in der Auswahl wider. Adressaten einer Debatte um Geschlechtergerechtigkeit sollten darum nicht Jurymitglieder sein, sondern Kulturpolitiker und Intendanten. Das Großstadt-Deutschland-Bild relativiert sich beim Blick auf die vergangenen Jahre, in denen die Jury auch Beiträge aus Kassel, Bern oder Graz berücksichtigte. Es geht beim Theatertreffen glücklicherweise nicht um Proporz und Quote, sondern um künstlerische Qualität.
Und da hat die Jury bemerkenswerte Entscheidungen getroffen. Welch klares Statement, die Abschiedsinszenierung von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne einzuladen! Wie schön, dass die Berliner Schaubühne nach vielen Jahren wieder dabei sein wird! Und wie wunderbar, dass Berlin noch einmal Joachim Meyerhoff als Thomas Melle erleben kann!
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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