Alltagswitze statt politischer Büttenrede

In Sachsen-Anhalt gibt es rund 200 Karnevalvereine, doch die Tradition verblasst - der Trend geht zur bloßen Fete

  • Thomas Schöne, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

In Sachsen-Anhalt scheint sich der Karneval zu verändern. Äußerlichkeiten wie Prunksitzungen und bunte Verkleidungen sind geblieben, doch es geht weniger um Tradition und Brauchtum, sondern um Spaß und Party. »Die klassische Büttenrede, die wir vor zehn bis 15 Jahren noch in Reimform hatten, gibt es leider immer weniger«, sagt der Präsident des Karneval-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Dirk Vater. Zu dem Verband gehören 195 Vereine mit rund 17 500 Mitgliedern. Davon sind den Angaben zufolge, etwa die Hälfte Jugendliche und Kinder. »Es geht immer mehr in Richtung einer Aneinanderreihung von Sketchen und Witzen. Das ist schade, aber der Karneval-Landschaft geschuldet«, sagt Vater.

Karneval basiere auf drei Säulen: Tanz, gesprochenes Wort und Gesang. In den Sitzungen dominiere zunehmend der Tanz, hieß es weiter. »Das Publikum hat nicht mehr das Verständnis, was eigentlich Karneval bedeutet«, sagt auch der Vereinsvorsitzende des 1. Lützener Karnevalsvereins (Burgenlandkreis), Eugen Heinrich. »Früher hörten die Leute bei einer Büttenrede von 15 Minuten zu, heute ist es zu laut im Saal, da hört keiner mehr hin. Es ist eben mehr Party.« Der Verein feiert am 9. Juni zum 27. Mal seinen Sommer-Karneval. »Wir werden vom Landesverband toleriert«, sagte Heinrich. Für den Verein ist die Veranstaltung auch aus wirtschaftlicher Hinsicht wichtig.

»Der Nachwuchs kommt bei uns doch recht schleppend nach«, sagt der Präsident der Magdeburger »Ottojaner«, Burkhard Jaap. »Einen eigenen Rosenmontagsumzug kriegen wir nicht auf die Reihe, weil uns dazu die Unterstützung von der Stadt fehlt. Wir hatten vor Jahren auch mal einen Kinderkarneval.« Weil finanzielle Unterstützung der Stadt gefehlt habe, habe man den eingestellt.

»Die klassische Büttenrede ist es bei uns nicht«, sagt die Vizepräsidentin des Bornitzer Karneval Club (Burgenlandkreis), Kirstin Blokowsky. »In die politische Richtung geht es bei uns eher weniger, das ist in den letzten Jahren nicht so gut angekommen, das ist schade. Es sind mehr Witze aus dem Alltag.« Im Jahr 1951 gegründet, ist Bornitzer Club einer der ältesten Karnevalsvereine im Land.

Mit Büttenwerkstätten versuche man anzuregen, mal etwas Neues auszuprobieren, sagt der Präsident des Landesverbandes, Dirk Vater. Die Veranstaltung werde pro Jahr von 20 bis 30 Leuten angenommen. »Auch die politische Büttenrede versuchen wir zu fördern. Das Ganze leiten Kabarettisten. Und die zeigen, was alles möglich ist.«

Für dieses Jahr wünscht sich Vater, dass die 47. Deutsche Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport vom 10. bis 11. März in Halle ein Erfolg wird. »Das ist vielleicht auch das einzige Mal, dass Sachsen-Anhalt in Halle in den nächsten 20 Jahren so etwas ausrichtet. Man muss natürlich ehrlicherweise auch sagen, dass unsere Tänzer noch stark an der Qualität arbeiten müssen. Da sind wir noch karnevalistische Embryonen, um das mal vorsichtig auszudrücken.« dpa/nd

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