Liste »BIOGOLD« und andere innovative Politikbündnisse

Leo Fischer über feste Grundsätze in der sich wunderschnell wandelbaren Welt

Die Menschen verändern sich, die Bedürfnisse ebenso, und auch vor den politischen Parteien macht die Geschichte nicht halt. So hat anscheinend in der Parteienlandschaft noch eine clowneske Fascho-Partei gefehlt, die ihren Gegnern abwechselnd Nazikeulen und Nazimethoden vorwirft; dieses natürliche Bedürfnis nach auftrumpfender Idiotie, das in einem Teil der Bevölkerung offenbar vorherrscht, ist mittlerweile gestillt. Aber sind Parteien an sich überhaupt noch zeitgemäß? Können sie sich der so wunderschnell wandelbaren Welt noch anpassen?

Im Gegensatz zu Menschen müssen Parteien traditionell feste Grundsätze haben, die für alle Mitglieder gelten und nicht in sich widersprüchlich sind. Eine FDP, die einerseits Bürgerrechte betont, andererseits mit ihren Stimmen einen Faschisten in einen Parlamentsausschuss wählt, ist als Organisation unglaubwürdig; eine einzelne Person hingegen, nennen wir sie spaßeshalber Christian, kriegt so etwas locker hin, denn persönliche Überzeugungen sind schneller geändert als bleischwere Parteiprogramme.

Als Mensch kann ich morgens marktradikal sein, mittags wertkonservativ, nachmittags solidarisch und abends religiös, ohne dass danach nur ein TED kräht; als Partei verliert man damit schnell seinen Markenkern, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, für nichts zu stehen. Parteien haben außerdem neuerdings die Tendenz, schneller unterzugehen, als man sie von den Wahlzetteln löschen kann: Der strahlende Martin Schulz, der auf dem SPD-Parteitag gewählt wurde, ist zehn Monate später ein bleicher Außenseiter, den keiner mag. Eine Demokratie muss so etwas widerspiegeln können.

Anderswo in Europa hat man schon erkannt, dass sich die Verhältnisse zu schnell ändern, als dass Parteien noch angemessen darauf reagieren können - und hat deswegen die Listen erfunden. Macron kam über so eine Liste in den Elysée-Palast gesurft, der Finne Sauli Niinistö ebenso. Listen bestehen aus Menschen, und Menschen können sich ändern oder geändert werden; mit Parteien ist das kniffliger. Solche Listen könnten auch in Deutschland durchschlagenden Erfolg haben!

So wäre ein »Bündnis EHE« (Ehre, Heimat, Einkommen) denkbar, in dem sich die Paare Sahra Wagenknecht/Marcus Pretzell bzw. Frauke Petry/Oskar Lafontaine austoben könnten. Schutz vor Überfremdung, Nationalstolz und wilde Verschwörungstheorien sind schließlich Themen, mit denen sich die beiden Ehepaare auskennen; gemeinsame Pärchenabende der telegenen Nullgestalten könnten live im Fernsehen übertragen werden und die persönliche Bindung zum Wähler stärken.

Erfolgsversprechend wäre auch eine »Liste BIOGOLD«, in welchem sich FDPler, Grüne und auch einige CDU-Menschen organisieren könnten. Wie die Statistik belegt, gibt es eine wachsende urbane Mittelschicht, die in der Hauptsache im Biomarkt einkaufen, wenig Steuern zahlen und ansonsten mit allem in Ruhe gelassen werden möchte; diese Schicht wird aber noch von keiner einzelnen Partei angemessen repräsentiert. Die »Liste BIOGOLD« könnte wichtige Sondierungen bei Campact lancieren oder einen Teil des Parteibeitrags an die Organisation »Wale im Bodensee« spenden.

Eine andere, unterrepräsentierte Wählergruppe sind die Jusos, derzeit noch in dem ohnehin schon lustig benannten Verein »Jusos in der SPD« organisiert. Die Liste »Jusos in den Jusos« könnte jungen Menschen Hoffnung geben, die glauben, dass sich in den Jusos etwas verändern muss, weil sich in der SPD etwas verändern muss. Die Gruppierung »SPDler bei den Jusos« könnte hingegen von älteren Sozialdemokraten gestellt werden, die sich von irgendwelchen Grünschnäbeln nicht dreinreden lassen wollen. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Listen könnte schließlich die SPD neu aus der Asche entstehen lassen bzw. ihr den endgültigen Todesstoß versetzen.

Schließlich könnte eine »Liste MERKEL« ein Bündnis all jener sein, die bedingungslos zu Angela Merkel stehen. Diese Liste enthielte unter anderem Angela Merkel selbst, ihren Mann Joachim Sauer, ihre gemeinsame Katze Minka und ihre gemeinsame Ursula von der Leyen. Dieses Bündnis erinnerte an die schöne Ereignislosigkeit der frühen Zehnerjahre und könnte durch spektakuläre Abwesenheit bei wichtigen Veranstaltungen von sich reden machen. Als »Liste Kleineres Übel« könnten zudem noch ausgewählte SPDler teilnehmen, die nicht schon längst die Lust verloren haben.

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