Zusammenspiel ziviler und militärischer Hilfe

Syrien: Pläne zum »Rückbau« des Landes fördern die Spaltung in eine »konföderale Struktur«

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

UN-Generalsekretär António Gutterres hat am Wochenende die verfeindeten Seiten in Syrien aufgerufen, mit dem Sondergesandten Staffan De Mistura zu kooperieren. Man müsse sicherstellen, dass der »UN-geführte Prozess in Genf glaubhaft und ernsthaft vorangeht«, sagte Guterres am Freitag in New York. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Während die UNO, Russland und Syrien sich bemühen, die verfeindeten Seiten in Syrien an einen Tisch zu bekommen, haben regionale und internationale Akteure bereits mit der »Dekonstruktion« Syriens begonnen, wie es in einer mehrfach überarbeiteten Studie des Brookings Institute ausgeführt wird. Dieser »Rückbau« Syriens, die Spaltung in eine »konföderale Struktur«, geht von den Grenzen aus, an denen die syrische Armee 2011 kaum präsent oder von wo sie verbannt war, wie beispielsweise auf den Golan-Höhen. Dort besteht seit 1974 eine entmilitarisierte Pufferzone, die von UNDOF, der »UN-Beobachtungsmission für die Entflechtung der Truppen Israels und Syriens« kontrolliert wird.

Die Gegner der syrischen Regierung, die unter dem Namen »Freunde Syriens« bewaffnete Oppositionelle unterstützten, schleusten aus dem Libanon, Jordanien und über die Türkei Waffen und Kämpfer nach Syrien. Heute werden die Gebiete, die unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen stehen, entlang der Grenzen von den USA, EU-Ländern, Türkei und Israel systematisch durchsetzt.

Im Juni 2017 berichtete die »New York Times«, dass die USA ein ziviles Expertenteam nach Syrien sende. Dabei handelt es sich um Mitarbeiter des Außenministeriums und Sicherheitspersonal, die über Erfahrungen in Afghanistan, Irak, Libyen verfügen. In der von Kurden und der US-Armee und Verbündeten kontrollierten »Sicherheitszone« östlich des Euphrat sollen diese »Experten« - an der Seite der US-Armee - die Arbeit organisieren und anleiten: Minen räumen, Strom- und Wasserversorgung sichern, mit dem Wiederaufbau beginnen. Die Bevölkerung soll »zivilgesellschaftlich« geschult, neue Verwaltungs- und Justizstrukturen geschaffen, neue Polizei - und Grenzschutztruppen aufgebaut werden. Ziel ist das Gebiet nach der Vertreibung des IS zu stabilisieren. Staatliche syrische Autorität - deren Existenz die USA verneint - wird ausgeschlossen. Wiederaufbauhilfe soll es nur für den selbst kontrollierten Teil Syriens geben, solange der syrische Präsident Bashar al Assad heißt.

Ähnlich gehen die Türkei, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und andere im Umland von Aleppo und in der Provinz Idlib vor. »Zivilgesellschaftliche« Projekte werden finanziert, die Bundesregierung unterstützte den Aufbau einer »Neuen Syrischen Polizei«. Als bekannt wurde, dass Terrororganisationen wie die Nusra Front sich daran bereicherten, wurde das Projekt ausgesetzt. Für das von den USA geplante Vorhaben, Minen in und um Rakka zu räumen hat die Bundesregierung bereits zehn Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Auch Israel hat in den letzten Jahren jenseits der Golan-Höhen seinen Einfluss in den syrischen Provinzen Qunaitra und Deraa ausgebaut. Wie das Internetportal »The Intercept« berichtete, soll in drei Phasen eine »Sicherheitszone« bis zu 40 km weit auf syrischem Territorium installiert werden, um »die syrische Armee und ihre iranischen und libanesischen Verbündeten soweit von Israels Grenze entfernt zu halten, wie möglich.«

In einem intensiven Zusammenspiel von humanitärer und militärischer Hilfe weitete Israel zunächst seinen Zugang in die von Kampfgruppen kontrollierten Gebiete aus. Kämpfern und Zivilisten wurde medizinische Hilfe in israelischen Krankenhäusern angeboten, Hilfsgüter wurden geliefert. Seit Sommer 2017 wird der Kampfverband der »Ritter des Golan« zu einer 500 Mann starken »Grenzschutztruppe« von der israelischen Armee ausgebildet. Auch die israelische Hilfsorganisation Amaliah ist Bestandteil dieses Projekts. Unter dem Motto »Erhalt des syrisch-jüdischen Erbes« war die Organisation in Aleppo und Jobar aktiv. In den von Kampfgruppen kontrollierten Gebieten in Qunaitra und Deraa - zehn Kilometer östlich der von der UNO überwachten entmilitarisierten Pufferzone - operiert Amaliah in Schulen sowie Krankenstationen und arbeitet in Deraa mit »lokalen Partnern« zusammen.

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