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Angst wächst im Dunkeln

Studie zeigt: Information über Kriminalität hilft gegen die weit verbreitete übertriebene Furcht vor Verbrechen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Menschen überschätzen die Bedrohung durch das Verbrechen. Obwohl seit Jahrzehnten die Verbrechensrate sinkt, wächst die Angst vor der Kriminalität. Das hängt mit der Tendenz von Medien zusammen, bevorzugt über spektakuläre Einzelfälle zu berichten, vermuten linke Journalisten und Medienkritiker dann oft. Dass dies der Fall ist, deckt eine aktuelle Studie von Politikwissenschaftlern aus Dänemark zwar nicht auf. Sie zeigt aber zumindest, dass mehr Wissen über das Gesamtaufkommen von Kriminalität, dass mehr Information über die Häufigkeit von Verbrechen die Angst vor dieser reduziert.

In einem Experiment hatten die Wissenschaftler der Universitäten in Aarhus und Kopenhagen rund 4800 Dänen mehrfach befragt. Alle Befragten erhielten eine Broschüre über Einbruchsvermeidung. Dabei wurde ein Teil der Befragten in der Broschüre auch über die Einbruchsraten in ihrer Region informiert, der andere Teil nicht. Die Teilnehmer wussten nicht, dass die Broschüre im Zusammenhang mit der Umfrage stand. Die wurde in den Wochen nach Ausgabe der Broschüre mit einer erneuten Befragung zu den Einstellungen der Teilnehmer zu verschiedenen Themen fortgesetzt.

Dass es in der Hauptsache um Kriminalität ging, war den Probanden nicht bewusst, aber es fanden sich auch die Fragen: »Gab es 2016 mehr oder weniger Einbrüche als 2011?« und »Bitte schätzen Sie den Anteil der dänischen Häuser, in die im Laufe der beiden Jahre eingebrochen wurde.« Die Befragten sollten auch schätzen, ob die Einbruchsrate in ihrer Region höher oder niedriger war, als in anderen Regionen.

Jene Probanden, die die entsprechenden Informationen in ihren Broschüren erhalten hatten, schätzten das Vorkommen von Einbrüchen deutlich besser ein als die Nicht-Informierten. Während vorher rund 40 Prozent der Umfrageteilnehmer die Einbruchkriminalität richtig einschätzten, waren es ein bis zwei Wochen nach der Information rund 15 Prozent mehr. Einen Monat später jedoch schätzten sie die Einbruchkriminalität wieder in ähnlich starkem Maße zu hoch ein wie vor dem Erhalt der Broschüren.

Weil viele Bürger von den Medien nur »episodenhaft« über einzelne spektakuläre Verbrechen informiert würden und Medien einen Rückgang der Kriminalität hingegen kaum meldeten, könnten öffentliche Informationskampagnen über das reale Ausmaß von Kriminalität helfen, unbegründete Ängste zu reduzieren, zumindest für einige Wochen. Danach allerdings würden die Vorurteile über die Verbrechensrate, die die Zahl von Verbrechen regelmäßig über dem realen Aufkommen ansiedeln, wieder erscheinen. Deswegen müsse eine solche Aufklärung kontinuierlich erfolgen, schreiben die dänischen Wissenschaftler.

Die Politikwissenschaftler kalkulieren zugleich ein, dass sie die Möglichkeiten sogar noch unterschätzen, das Vorurteil über die ständig steigende Kriminalität zu reduzieren. Denn nur rund die Hälfte der Befragten, die die Informationen über die Einbruchkriminalität zugesandt erhielten, öffneten wahrscheinlich überhaupt die Post.

Ein Grund könnte ein weiteres Phänomen sein: das Desinteresse gegenüber Organisationen wie der, die im Experiment vorgab die Broschüren verschickt zu haben. Wenn tatsächlich alle Angeschriebenen die Information in der Broschüre gelesen hätten, könnten es nach Schätzung der Wissenschaftler bis zu 30 Prozent mehr sein, die durch die Aufklärung einen realistischeren Blick auf die Bedrohung durch Einbrüche bekamen. Die »Dosierung von (Des)Information über Verbrechen« bestimme die Wahrnehmung der Kriminalität, schreiben die Forscher über das Phänomen.

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