- Politik
- Protest gegen Rassismus
Macerata singt »Bella Ciao«
Anti-Rassismus-Demo mit zehntausenden Teilnehmern eine Woche nach Schüssen auf Afrikaner in Italien
Macerata. Eine Woche nach den Schüssen auf afrikanische Migranten in der italienischen Stadt Macerata haben dort zehntausende Menschen gegen Rassismus demonstriert. Die Demonstranten folgten am Samstag dem Aufruf von Nichtregierungsorganisationen, Antifa-Gruppen, Gewerkschaften und linken Parteien. Auch in anderen Städten des Landes wie Mailand fanden Protestkundgebungen statt, in Piacenza kam es dabei zu Ausschreitungen.
Zwischen 10.000 und 30.000 Menschen hätten an der Demonstration in Macerata im Zentrum Italiens teilgenommen, teilten die Organisatoren mit. »Wenn es Arbeitslosigkeit gibt, werft es der Regierung vor, nicht den Migranten«, riefen die Demonstranten. Viele sangen das bekannte Partisanenlied »Bella Ciao« oder andere antifaschistische Lieder. Zu den Teilnehmern zählten auch viele afrikanische Migranten.
»Die Atmosphäre in Italien ist im Moment angespannt und in den vergangenen Jahren haben wir es zugelassen, dass die Rechte erstarkt«, sagte die aus Florenz angereiste Demonstrantin Mafalda Quartu. »Ich habe immer demonstriert, aber jetzt müssen wir das mehr denn je tun«, fügte die Rentnerin hinzu.
Gennaba Diop, eine in Macerata geborene und aufgewachsene 23-Jährige mit senegalesischen Wurzeln, hielt bei der Demonstration ein Schild hoch mit der Aufschrift »Meine Farbe ist kein Verbrechen«. »Es gibt hier viele Spannungen und Rassismus, die Leute gucken dich die ganze Zeit komisch an«, sagte sie.
Aus Sorge vor Ausschreitungen in der 43.000-Einwohner-Stadt blieben Schulen geschlossen. Die Samstagabend-Messe wurde abgesagt, viele Geschäfte schlossen am Mittag, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Bürgermeister Romano Carancini, ein Mitte-links-Politiker, hatte die zuständigen Behörden vergeblich aufgerufen, alle Kundgebungen zu untersagen.
Seit der Attacke von Macerata ist im italienischen Wahlkampf eine bittere Debatte über Migration entbrannt. Vor allem rechte Parteien erhoffen sich dadurch mehr Zuspruch bei der Wahl am 4. März.
In mehreren anderen italienischen Städten fanden kleinere Protestkundgebungen statt. Auf Plakaten der Demonstranten in Mailand hieß es etwa: »Ausländer, lasst uns nicht mit den Faschisten allein.« In Piacenza gab es kurzzeitig Zusammenstöße zwischen ein paar Dutzend Demonstranten und der Polizei.
Am 3. Februar hatte ein Rechtsextremer in Macerata aus einem fahrenden Auto das Feuer auf Schwarze eröffnet und in einem Zeitraum von zwei Stunden sechs Afrikaner - fünf Männer und eine Frau - verletzt.
Der 28-Jährige handelte nach eigenen Angaben aus Rache für den gewaltsamen Tod einer 18-Jährigen, nachdem ein nigerianischer Asylbewerber und Drogenhändler als Verdächtiger festgenommen worden war. Später wurden noch zwei weitere Nigerianer festgenommen. Der zuständige Staatsanwalt erklärte am Samstag, die Ermittlungen seien abgeschlossen, es habe sich wahrscheinlich um eine vorsätzliche Tötung gehandelt.
Die Schüsse des Rechtsextremen wenige Wochen vor der Parlamentswahl in Italien am 4. März versetzten das Land in Aufruhr und setzten das Thema Einwanderung wieder ganz oben auf die Agenda. Am vergangenen Donnerstag demonstrierten dutzende Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Forza Nuova (Neue Kraft) in Macerata gegen Einwanderung. Dabei gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.