Keine Waffen in Kinderhände
Hilfsorganisationen kritisieren deutsche Rüstungsexporte
»In Deutschland dürfen Ego-Shooter nicht an Kinder unter 18 verkauft werden, aber die Bundeswehr bildet Minderjährige an der Waffe aus«, sagt Michael Schulze von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Damit ist Deutschland eines der wenigen Länder in Europa, das explizit Minderjährige rekrutiert. »Das macht unsere Arbeit extrem schwierig«, kommentiert Ralf Willinger, der sich bei dem Kinderhilfswerk »terre des homes« gegen die Rekrutierung von KindersoldatInnen einsetzt.
Weltweit schätzen Nichtregierungsorganisationen die Zahl der Kinder unter Waffen auf 250 000 in mindestens 20 Ländern. Als KindersoldatIn gelten alle Personen unter 18 Jahren, die von bewaffneten Gruppen rekrutiert oder benutzt werden, heißt es in einer Definition der »Pariser Prinzipien«, die 1993 von der UNO-Generalversammlung verabschiedet und bislang von 105 Staaten - darunter auch Deutschland - unterzeichnet wurden.
Sie werden zum Kämpfen gezwungen oder als Spione eingesetzt, müssen Leichen bergen, werden durch Minenfelder getrieben oder als SexsklavInnen missbraucht. Unter den Ländern, in denen Kinder als SoldatInnen eingesetzt werden, sind auch Staaten wie Saudi-Arabien, Indien oder die Philippinen, in die Deutschland Waffen exportiert. »In vielen Konfliktgebieten werden Kinder getötet, verstümmelt, sexuell missbraucht und zum Dienst als Soldaten gezwungen - auch unter Benutzung deutscher Waffen«, kritisiert Willinger.
Das »Deutsche Bündnis Kindersoldaten« - ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, wie »terre des homes«, die DFG-VK oder das UN-Kinderhilfswerk UNICEF Deutschland - fordert deswegen einen kompletten Stopp des Exports von Kleinwaffen und entsprechender Munition. Zudem müsse die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung dringend neu reguliert werden, sagt Willinger mit Blick auf den unlängst beschlossenen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Die vorgesehene Schärfung der Rüstungsexportrichtlinien reiche nicht aus: »Die Richtlinien sind unverbindlich und haben nicht zu einer restriktiven Rüstungspolitik beigetragen, sondern zu immer neuen Rüstungsexportrekorden«, sagt Willinger.
Dass auch in Deutschland Minderjährige an der Waffe ausgebildet werden, findet Schulz von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft »höchst bedenklich, bedenkt man die jüngsten Skandale um beispielsweise sexualisierte Gewalt bei der Bundeswehr«. Hinzu käme außerdem, dass der Beruf »nicht bloß ein bisschen mehr Action bietet«, wie es Werbekampagnen der Bundeswehr versprechen. Vielmehr gingen mit der Verpflichtung auf Zeit auch wesentliche Einschnitte in das Grundrecht der Jugendlichen einher.
Im vergangenen Jahr betrug die Zahl der minderjährigen RekrutInnen bei der Bundeswehr 2128 und erreichte damit einen neuen Höchststand, kritisiert Schulze von Glaßer. Damit hat sich die Zahl von 689 im Jahr 2011 mehr als verdreifacht. Minderjährige machen mittlerweile rund zehn Prozent der jährlich neu eingestellten RekrutInnen aus.
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