• Reise
  • Karneval in Teneriffa

Santa Cruz im Karnevalrausch

Auf Teneriffa feiern Zehntausende ausgelassen, als gäbe es kein Morgen.

  • Axel Pinck
  • Lesedauer: 4 Min.
Ausnahmezustand in der Inselhauptstadt von Teneriffa. Zur Karnevalszeit von Mitte Februar bis Anfang März sind die Tinerfeños wie im Rausch. Auf Dutzenden Bühnen in Parks, auf Plätzen und in den Straßen spielen Combos spanische und karibische Rhythmen. Familien, Freunde, Nachbarschaftsgruppen, Vereine ziehen verkleidet durch die Gassen oder lassen es sich in den Straßencafés bis tief in die Nacht gut gehen.

Zehntausende sind auf den Beinen. Eine Nachbarschaftsgruppe von Tänzerinnen bewegt sich, lautstark unterstützt von einer ausgelassenen Combo mit Trompeten und Trommeln, abends durch die Avenida de Francisco La Rocher in der Altstadt von Santa Cruz. Sie werfen die Beine ganz im Stil der Folies Bergère von Paris. Nicht so schlank und rank, eher rundlich und mit Speckröllchen um die Hüften, dazu in allerbester Stimmung, lösen sie Begeisterung bei den Zuschauern aus. Ihnen folgen, ebenfalls in knappen Kostümen, römische Gladiatoren mit Pappschwertern, denen man nicht wünschen möchte, tatsächlich im Kampf auf Leben und Tod in der Arena zu stehen. Doch vielleicht würden sie ihre Gegner verwirren, mit ihren rosa Federpuscheln auf dem Kopf und farblich dazu passenden Handtäschchen.

Eine endlos scheinende Folge von Rhythmus- und Tanzgruppen kommt in abenteuerlichen und farbenprächtigen Verkleidungen daher. Kleine Prinzessinnen in Rosa und Weiß ziehen an der Hand ihrer Väter vorbei, die als Drag Queens als Frauen verkleidet sind. Um Mitternacht ist der Umzug vorbei, doch die Fiesta geht in den Straßen weiter. Viele Zehntausend Tinerfeños und Besucher sind auf den Beinen und feiern als gäbe es kein Morgen. Überall wird musiziert und gesungen, alle Restaurants sind überfüllt. Leckerbissen bruzzeln auf Grills, es werden Tapas serviert oder Tortillas mit Honig in die Hand verkauft.

Der Karneval von Santa Cruz de Tenerife ist der berühmteste und größte Spaniens. Schon seit Ende des 15. Jahrhunderts, dem Zeitalter der Konquistadoren und der Kolonisierung der Kanarischen Inseln vor der westafrikanischen Küste durch Spanien, wird hier Karneval gefeiert. Als letzte Möglichkeit, vor der Fastenzeit ausgelassen zu feiern.

Masken dienten von jeher zur Verschleierung der eigenen Identität, und auch die Narrenfreiheit von Männern, gegen die rigide Sexualmoral zu verstoßen und sich als Frauen zu verkleiden, ist bei den vielen Herren mit Perücke und Tütü auf den Straßen unübersehbar. Auch wenn die katholische Geistlichkeit lange das Überbleibsel heidnischer Riten und ihre wilde Ausgelassenheit verurteilte, hat eine pragmatische Kirche den Karneval längst als letzten lasterhaften Ausbruch vor der Fastenperiode integriert.

Am Abend vor Aschermittwoch wird die große Parade »Apotheose des Karnevals« in Santa Cruz entlang der Avenida Maritima und über die Plaza de España zelebriert. Die »Gala de Elección de la Reina del Carnaval« mit der frisch gewählten Karnevalskönigin und ihren unterlegenen Mitbewerberinnen zieht auf pompös glitzernd geschmückten Wagen an der begeistert applaudierenden Menge vorbei. Bis zu 250 000 Menschen sind in der Nacht auf den Beinen. Die Kostüme der Königin und ihrer Prinzessinnen, die viel Platz für nackte Haut lassen, wiegen bis zu 100 Kilogramm. Keine leichte Aufgabe für die zarten Schönheiten, die den ganzen Zug über lächeln, grüßen und den Zuschauern zuwinken. Dazwischen feurige Marching Bands mit Salsa-, Merengue- und anderen Latinorhythmen oder populären spanischen Popsongs.

Eine 100-köpfige Tanz- und Musiktruppe, in Fantasiepostuniformen gekleidet, bringt die Zuschauer zum Toben. Jetzt drängt sich ein Discowagen durch die Gasse von wogenden Menschenleibern. Latino-Hits, Trillerpfeifen, wilder Tanz.

Publikumsscheu ist keiner. Wird eine Kamera gezückt, drängen sich von allen Seiten Maskierte und Verkleidete ins Bild. Der nächste Aufzug ist noch schriller. Eine Karnevalsgruppe von Männern und Frauen, alle mit Netzstrümpfen und giftgrünem Body, die Haare in Regenbogenfarben getönt. Ein gewaltiges Spektakel. Nachts um drei drehen einige erschöpft bei und sehnen ihr Bett herbei. Doch andere scheinen gerade erst von zu Hause aufgebrochen zu sein und streben voller Tatendrang und guter Laune zum Plaza España.

Am Aschermittwoch ist auch in Santa Cruz alles vorbei. Doch nicht einfach so, denn an dem Tag wird unter makabrem Gepränge das Fest »El Entierro de la Sardina«, die Beerdigung der Sardine, als grotesker Totentanz begangen. Über die Hintergründe dieses seltsamen Brauches gibt es viele Deutungen. Ein überdimensionaler Fisch aus Pappmaché, gefolgt von einem Zug als Drag Queens gekleideter Männer und von Klageweibern, wird unter lautem Geheule und Stoßgebeten durch die Straßen getragen und schließlich öffentlich verbrannt. Der Karneval von Santa Cruz de Tenerife ist mit einem letzten Fest beendet.

Infos:

Spanisches Fremdenverkehrsamt:

Tel.: (030) 8826542

www.spain.info/de

Anreise:

Flüge mit diversen Airlines nach Teneriffa Süd (Reina Sofia/TFS), ca. 60 km südlich von Santa Cruz, ab 200 €, Shuttle 18 €.

Weniger Flüge landen in Teneriffa Nord (Los Rodeos/TFN), 12 km westlich von Santa Cruz, Kosten ab ca. 250 €, Shuttle 17-45 €.

Flugzeit (ohne Umsteigen) jeweils ca. 5 Stunden.

Die Reise wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.