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Kampf um die Stichwahl

Am kommenden Sonntag steht in der Bankenmetropole Frankfurt am Main der erste Urnengang zur Oberbürgermeister-Kür an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wahl des Rathauschefs in der größten Stadt Hessens ist die letzte wichtige Testwahl vor der acht Monate später stattfindenden Landtagswahl im Sechs-Millionen-Land zwischen Werra, Rhein und Neckar. Bei der letzten Direktwahl Anfang 2012 hatte der SPD-Bewerber Peter Feldmann beim entscheidenden zweiten Wahlgang den CDU-Mann Boris Rhein mit 57,4 zu 42,6 Prozent klar geschlagen. Die Wahlbeteiligung lag damals allerdings bei mageren 35,1 Prozent. In der ersten Runde hatte Rhein mit 39 Prozent noch die Nase vorn, während Feldmann mit 33 Prozent auf Platz zwei landete.

Feldmanns Sieg hatte die 17 Jahre dauernde Ära der CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth beendet und den jahrelang arg gebeutelten Frankfurter Sozialdemokraten in ihrer einstigen Hochburg wieder etwas Hoffnung vermittelt. Nach der Kommunalwahl 2016 rückte die SPD durch ein Bündnis mit CDU und Grünen wieder in den inneren Kreis der »Stadtregierung« auf. Der 59-jährige Feldmann gibt sich gerne gewerkschaftsnah und sozial. Ob und wie weit der aktuelle bundesweite Abwärtstrend und die tiefe Krise seiner Partei seine Chancen auf eine Wiederwahl beeinträchtigen oder die Person bei der Wahlentscheidung im Vordergrund steht, wird sich am Sonntag zeigen.

Der damalige Wahlverlierer Boris Rhein ist inzwischen Wissenschaftsminister im schwarz-grünen Landeskabinett und tritt nicht mehr gegen Feldmann an. Für die Christdemokraten kandidiert diesmal die bisherige hessische Finanzstaatssekretärin Bernadette Weyland. Dass die 60-Jährige im vergangenen Sommer ihren hochdotierten Posten in der Wiesbadener Landesregierung aufgab und sich nun im einstweiligen Ruhestand mit einer Pension von 7400 Euro im Monat sorgenfrei voll dem Wahlkampf widmen kann, stößt der Landtagsopposition und vielen Menschen in der Bankenmetropole sauer auf und bot schon Stoff für einen kritischen Beitrag im ARD-Fernsehmagazin »Report Mainz«. So spricht der SPD-Abgeordnete Günter Rudolph von einer »scham- und skrupellosen Selbstbedienung«. Weylands »goldene Pensionierung zum Zwecke des OB-Wahlkampfes« führe zu einer Wettbewerbsverzerrung, weil nahezu alle anderen elf Mitbewerber den Wahlkampf in ihrer Freizeit neben ihrem Beruf machen müssten, bemängelt der Landtagsabgeordnete Hermann Schaus (LINKE).

Auch wenn Weyland bei Podiumsdiskussionen bisweilen blass, unkonzentriert und inkompetent wirkt, hoffen die CDU-Aktivisten in der von Banken, Konzernen und Großflughafen geprägten Stadt darauf, dass ihre bürgerlich-konservativen Anhänger bei einer schwachen Wahlbeteiligung eine stärkere Disziplin und Loyalität aufbringen als Wähler aus anderen Milieus und damit den Urnengang entscheiden.

Neben Feldmann und Weyland macht sich auch die Grünen-Kandidatin und ehemalige Migrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg Hoffnung auf Einzug in die Stichwahl und setzt auf starken Zuspruch bei den in Frankfurt sehr zahlreichen Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund. 2012 hatte Rosemarie Heilig, die damalige Bewerberin der einstigen Ökopartei, mit zwölf Prozent im ersten Wahlgang allerdings unerwartet schlecht abgeschnitten. Zweckoptimismus verbreitet auch FDP-Mann Volker Stein. Der 66-jährige Oberst der Reserve tritt gegen den Willen seiner eigenen Partei als unabhängiger Kandidat an und bedient mit migrationsfeindlichen und Law-and-Order-Parolen gezielt das rechte und nationalistische Spektrum. Wegen fragwürdiger rassistischer Äußerungen hatte auch die Kommunale Ausländervertretung jüngst eine Einladung an ihn zu einer Kandidatenbefragung wieder zurückgezogen. Auf seiner Website vermittelt Stein mit dem Ergebnis einer von eigenen Anhängern gestarteten und nicht repräsentativen Umfrage den Eindruck, dass er als Zweitplatzierter in der Stichwahl zum Herausforderer Feldmanns werden könne. Er ist optisch im Straßenbild mit auffällig vielen Großflächenplakaten vertreten.

Für die Frankfurter LINKE tritt bereits zum zweiten Mal in Folge die 36-jährige Janine Wissler an. Die Vorsitzende der Landtagsfraktion und stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei verspürt in diesem Wahlkampf mit brennenden Themen wie Wohnungsnot, Nulltarif im Nahverkehr, Armutsbekämpfung und Fluglärm deutlich mehr Zuspruch als vor sechs Jahren. Bei Podiumsdiskussionen des DGB und des Lokalblatts »Frankfurter Rundschau« erntete sie mit schlagfertigen Äußerungen starken Applaus. Die Marathonläuferin gilt als designierte LINKE-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl und bringt sich in diesen Wochen in der Bankenmetropole bei Podiumsdiskussionen, Straßenaktionen und Stadtteilspaziergängen für den Kampf um den vierten Einzug ihrer Partei in den Wiesbadener Landtag in Folge in Position.

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