Länger im Asylheim leben
Weil Wohnungen fehlen, bleiben in Cottbus auch anerkannte Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften
Auch wenn Flüchtlinge in Brandenburg Asyl erhalten, bleiben sie oft in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Darauf aufmerksam machte Paul-Peter Humpert, Geschäftsführer des Landkreistags, am Mittwoch im Sozialausschuss des Landtags. Dort wurde über die Unterkunftskosten debattiert. Dringend warb Humpert dafür, bei den Anstrengungen um die Integration auch dann nicht nachzulassen, wenn Flüchtlinge nicht mehr dem Landesaufnahmegesetz unterliegen, sondern dem Sozialrecht. Es bedürfe weiterer Anstrengungen, »um den Menschen Eintritt in den Alltag zu ermöglichen«.
Der früher hohe Leerstand in den zu DDR-Zeiten errichteten Wohnblöcken habe der Stadt Cottbus die Unterbringung vieler Asylbewerber ermöglicht und »uns einen anderen Spielraum gegeben«, berichtete Sozialdezernentin Maren Dieckmann. Allerdings gibt es inzwischen kaum noch Leerstand. »Der Wohnungsmarkt in Cottbus ist fast zu.« Mit Blick auf die unsichere Weltlage riet Dieckmann, den Kommunen finanzielle Sicherheit zu geben. Weil gegenwärtig nicht mehr viele Flüchtlinge ankommen und in den Asylheimen noch Platz ist, gestatte man es in Cottbus anerkannten Flüchtlingen, weiter in den Unterkünften zu wohnen, die eigentlich für Flüchtlinge gedacht sind, deren Asylverfahren noch läuft.
Mit Blick auf die Aufregung, die es in Cottbus wegen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Deutschen gab, forderte Dieckmann, bei der »größten Herausforderung, die noch vor uns steht, nicht nachzulassen: das friedliche Zusammenleben zwischen Einheimischen und zugewanderte Geflüchteten zu gewährleisten«. Cottbus gehöre zu den Gegenden Deutschlands, die »nicht so erfahren« seien im Zusammenleben mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis. Diekmann sprach von einer »prekären Situation auf Schulhöfen«, die von Schülern, aber auch von Eltern erzeugt werde. Es gebe Zeiten, da laufen dort Ordnungsamt und Polizei Streife. »Das kann es nicht sein.«
Die Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen ist in vielen Städten schwierig, sagte Thomas Golinowski vom Städte- und Gemeindebund. Zwischen 1990 und 2010 sind in Brandenburg rund 80 000 Wohnungen abgerissen worden. Die fehlen jetzt. Verteidigt wird der Abriss damit, dass die Flüchtlingswelle der Jahre 2014 bis 2016 nicht absehbar gewesen sei und eine leerstehende, in Reserve gehaltene Wohnung Kosten von einem Euro pro Quadratmeter verursache. Es habe niemanden gegeben, der das bezahlen wollte. 44 Millionen Euro hat der Kreis Oberhavel aufgewendet, um in den Jahren 2013 bis 2017 Unterkunftskapazitäten für mehr als 3500 ihm zugewiesene Asylbewerber zu schaffen. Im Landtag machte Landrat Ludger Weskamp (SPD) darauf aufmerksam, dass der größte Teil dieser Summe vom Kreis vorfinanziert werden musste. Weil der angespannte örtliche Wohnmarkt nicht weiter belastet werden sollte, wurden alle Asylbewerber in kreiseigenen oder vom Landkreis angemieteten Gebäuden untergebracht. Innerhalb von vier Jahren stieg die Kapazität zur Unterbringung von Asylbewerbern von 175 Plätzen in einem Asylheim auf 1650 Plätzen in zehn verschiedenen Heimen. In der Stadt Kremmen wurden neue Wohnhäuser für die Unterbringung von Flüchtlingen für drei Jahre angemietet. Danach stehen diese Wohnungen dem Wohnungsmarkt wieder zu Verfügung.
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