Grüne Technik wird uns nicht retten

Zweifel am technologischen Fortschritt sind kein Ausdruck von Konservativismus, sondern eine Kritik an seiner Sinnhaftigkeit

  • Alberto Acosta
  • Lesedauer: 3 Min.

Ohne zu leugnen, wie wichtig die rasant voranschreitende Technologie-Entwicklung ist, sowohl die in der Vergangenheit wie die zukünftige, so muss doch gesagt werden, dass der technische Fortschritt nicht immer der gesamten Menschheit zugutekommt. Zum Beispiel kommt ein großer Teil der Weltbevölkerung nicht in den Genuss der Informatik. Hunderte von Millionen haben bis heute keinen Kontakt mit dem Internet (Schätzungen Stand 2018: 3,572 Milliarden). Und viele, die ihn haben, muss man leider als Technologie-Analphabeten bezeichnen: Sie sind Gefangene einer Technologie, die sie nicht verstehen, nicht voll zu nutzen in der Lage sind, die immer abhängiger, immer passiver, immer beherrschter von diesen neuen Technologien sind.

Außerdem trägt der technologische Fortschritt nicht ausreichend zur Lösung der sozialen Probleme der Menschheit, wie etwa dem Hunger. Wir produzieren heute Nahrungsmittel, die bis zu elf Milliarden satt machen könnten, also mehr als die heute 7,5 Milliarden Menschen. Tatsächlich aber gehen heute 800 Millionen bis zu einer Milliarde Menschen jeden Tag hungernd nach Hause. Die Beantwortung der Hungerkrise zur Sicherstellung der Mindesternährung für alle Menschen des Planeten wird »nicht durch mehr Nahrungsmittel-Technologie oder noch mehr Produktivität gegeben«, unterstreicht mit gewohnter Klarheit der katalanische Intellektuelle Gustavo Duch. Dass jedes Jahr rund ein Drittel aller Nahrungsmittel in der Welt auf dem Müll landen, unterstützt diese Erkenntnis. Neben einer gerechteren Verteilung des Essens und die Produktion nach den menschlichen Bedürfnissen – und nicht für Börsenspekulation und den Hunger von Autos nach »Biosprit« – muss die Forderung nach Nahrungsmittelsouveränität endlich Wirklichkeit werden. Die Kleinbauern müssen die Herstellung von Nahrung kontrollieren.

Es stellen sich viele Fragen: Ist Technologie neutral? Kann der ungebremste Technologiefortschritt die gewaltigen sozialen Probleme unserer Zeit lösen? Was sind die Grenzen der Technologie? Derartige Zweifel sind kein Ausdruck von Konservativismus gegenüber dem technischen Fortschritt, sondern eine Kritik an seiner Sinnhaftigkeit. Ob es gefällt oder nicht ordnet sich die Technologie der Moderne der Selbst-Aufwertung des Kapitals unter. Der technische Fortschritt hat sogar eher die Tendenz, all die Aktivitäten zu beschleunigen, die der Akkumulation dienen. In anderen Bereichen ist der Fortschritt derweil viel langsamer, oder kommt gar zum Stehen, wie das Wegsperren von Patenten vom Markt, wie es mit vielen Medikamenten passiert, die viele Gesundheitsprobleme der Erde lindern könnte.

Und Technologie ist nicht gesellschaftlich neutral. Sie entwickelt sich entlang der Bedürfnisse der kapitalistischen Akkumulation. Vergessen wir nicht, dass jeder Technologie eine »gesellschaftliche Form« eingeschrieben ist, also eine Art und Weise, wie wir mit den Mitmenschen in Verbindung treten, wie wir uns selbst konstruieren. Es reicht aus darauf zu schauen, wie die Gesellschaft das Auto »produziert«, welche Energieformen sie nachfragt. Autos, Individualismus und fossile Brennstoffe gehen in unserer Gesellschaft Hand in Hand.
Aber welche gesellschaftliche Form wohnt dem technologischen Fortschritt, der angeblich demokratisierend wirkt, und dem wir uns alle einfügen, eigentlich inne? Gewöhnlich ersetzen viele technische »Fortschritte« die Arbeitskraft, sei es physische oder intellektuelle Arbeit, was viele Arbeiter überflüssig macht. Auch werden jene ausgeschlossen oder ersetzt, die keinen Technologie-Zugang haben. All das formt die Arbeit um, trägt zu ihrer Flexibilisierung bei, was in den meisten Fällen ein Synonym für Ausbeutung ist. Der Mensch endet als simples Werkzeug für die Maschinen, dabei müsste das Verhältnis genau anders herum sein. Um eine Umkehr zu schaffen, gilt es die gesellschaftlichen Bedingungen und Beziehungen der Produktion zu verändern. Ziel muss sein, dass die Technik die Kräfte des Menschen stärkt statt diesen zu ersetzen.

Teil 2 des Beitrags folgt in zwei Wochen.

Übersetzung: Benjamin Beutler

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