Das Geheimnis in der Bibliothek

Walter Ulbrichts «verschwiegener» Personenaufzug in der Waldsiedlung und sein stiller Tod in der Döllner Heide

  • Hans-Jürgen Herget
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele der Menschen, die heute durch die Waldsiedlung Bernau (Barnim) schlendern, sind Erholung suchende Reha-Patienten der Waldklinik. Oft kommen aber auch Besucher, um in Augenschein zu nehmen, was vom angeblich protzigen früheren Wohnsitz der SED-Politbüromitglieder erhalten geblieben ist. 2017 ist die Wohnsiedlung der DDR-Funktionärselite unter Denkmalschutz gestellt worden. 27 Jahre zu spät, wie der Hobbyhistoriker Paul Bergner findet. Der Kenner der Waldsiedlung stellt viele noch unbekannte Fakten und Zusammenhänge zu diesem historischen Ort in einer neuen Broschüre in seiner Reihe «Kurzauskünfte zur Geschichte» vor.

Walter und Lotte Ulbricht fühlten sich seit Gründung der Waldsiedlung im Spätsommer 1960 als die dortigen Chefs. Und sie waren es auch, weiß Bergner zu berichten. Der Partei- und Staatschef wohnte bis zu seiner Entmachtung im Haus 7 (heute Habichtweg 1). Die Eheleute achteten darauf, dass es regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen für die Funktionärsfamilien und somit ein gewisses Miteinander gab. Dennoch fühlten sich die Ulbrichts in der Siedlung vermutlich nicht wirklich wohl. Schon in den späten 1960er Jahren hielten sie sich häufig im Objekt Dölln, dem Altersruhesitz des verstorbenen Staatspräsidenten Wilhelm Pieck, auf. Das Gästehaus gehörte zum Bereich des Staatsrates und ermöglichte es dessen Vorsitzenden, auch dort die Staatsgeschäfte wahrzunehmen. Nach Dölln zog Walter Ulbricht sich endgültig zurück, als er von seinem politischen Ziehsohn Erich Honecker gezwungen wurde, am 3. Mai 1971 seinen Rücktritt aus «gesundheitlichen Gründen» zu erklären. Laut Bergner ist er am 1. August 1973 dort auch verstorben.

Das Haus der Ulbrichts in der Waldsiedlung bezog danach Gerhard Schürer, Chef der staatlichen Plankommission. Nach der Wende diente es einige Jahre einer größeren Familie als Unterkunft. Später verschwanden Mobiliar und diverse Devotionalien. Heute nutzt die Kindernachsorgeklinik das Gebäude.

Das «Ulbricht-Wohnhaus» ist bis heute besonders interessant. Zum einen wegen der später angebauten Bibliothek, deren Bücherregale und Vertäfelung noch einigermaßen im Original erhalten sind. Ihr sieht man den Charme der 1960er Jahre noch an. Leider sind der Großteil des ungesicherten Buchbestandes und diverse Ausstattungen entsorgt worden oder in privaten Bibliotheken verschwunden. Nur noch wenige DDR-Ausgaben lassen auf den Literaturgeschmack des einstigen «1. Sekretärs des Politbüros des ZK des SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR» und seiner Gattin schließen. Die Bibliothek war für Ulbricht wohl auch privater Rückzugsort. Vor dem Haus gab es auch einen speziellen Wall, der eine Durchfahrt mit Autos unmöglich machte. Man wollte Ruhe haben.

Ein zweites, eher unscheinbares Detail ist an einer Innenwand dieser Bibliothek zu erkennen. Dort findet sich, verborgen hinter einer furnierten Tür, kaum verdeckt durch ein mit Reinigungsutensilien vollgestelltes Regale, eine unverputzte Ziegelmauer. Von außen nicht mehr sichtbar, befand sich dort eine Tür, vor der außen einst ein Personenaufzug angebaut war. Denn entgegen den allgemeinen Darstellungen war Walter Ulbricht, der das Motto «Jeder Mann an jedem Ort - mehrmals in der Woche Sport» geprägt hatte, im Alter kaum noch beweglich. Das Laufen fiel ihm zunehmend schwer, zuletzt war er auf einen Rollstuhl angewiesen. Daher ließ er sich aus Mitteln des Staatsrates eigens einen Aufzug an sein Haus bauen, um in die Bibliothek oder das darüber liegende Schlafzimmer zu gelangen. Für etwaige Fahrstuhlhavarien war ständig ein Techniker in der Waldsiedlung in Rufbereitschaft. Angeblich, weil Honecker fand, dass der Aufzug das Gesamtbild der Siedlung störe, sei diese noch zu Ulbrichts Lebzeiten wieder abgebaut worden. Dass der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte umstritten ist, räumt Paul Bergner ein. Möglich, dass das auch die Gerüchte betrifft, denen zufolge die Bauarbeiter das zu entsorgende Material zwar zunächst «befehlsgemäß» auf die Kippe schafften, um es von dort dann auf ein Privatgrundstück zu verbringen.

Paul Bergner: «Die WaldSiEDlung 2017 - Schutz für ein DENK-mal, FB-Verlag Basdorf, Anemonenweg 8, 16348 Wandlitz, Kosten 5 Euro plus Versand

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