- Wirtschaft und Umwelt
- Fahrscheinfreier Nahverkehr
Kein Test für kostenlosen Nahverkehr
Zunächst keine Umsetzung der Regierungsidee geplant
Bonn. Ein Test für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr scheint vom Tisch. Ein so weitgehender Versuch sei in keiner der fünf Modellstädte zur Luftreinhaltung geplant, sagte am Montag der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) nach einem Gespräch mit dem Bundesumweltministerium. Ein komplett kostenloser ÖPNV sei eher unrealistisch. Die Bürgermeister hatten im Vorfeld vor allem Aufklärung darüber gefordert, wer für einen vergünstigten oder kostenlosen Nahverkehr aufkommen soll.
Die fünf beteiligten Städte seien aber entschlossen, dem Ministerium bis Mitte März Vorschläge für eine bessere Luftqualität zu machen, so Sridharan. Dazu gehöre auch, den ÖPNV attraktiver zu gestalten, um Diesel-Fahrer zum Umsteigen zu motivieren, versicherten Vertreter aller fünf Städte. Sridharan betonte, das Gespräch sei konstruktiv gewesen. Viele Fragen seien aber offen geblieben.
Bei den fünf Städten handelt es sich um Bonn und Essen aus Nordrhein-Westfalen und Mannheim, Reutlingen und Herrenberg aus Baden-Württemberg. Den GratisNahverkehr hatte die Bundesregierung jüngst in einem Brief an die EU-Kommission ins Gespräch gebracht. Die Behörde macht Druck auf Deutschland wegen der stark belasteten Luft in vielen Städten. Mit dem überraschenden Vorschlag will Deutschland EU-Sanktionen abwehren, die wegen anhaltender Nichteinhaltung der Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid drohen. Der Schadstoff stammt vor allem aus Dieselabgasen, in vielen deutschen Städten werden die geltenden Grenzwerte an vielen Tagen im Jahr überschritten.
Einer Analyse des Umweltbundesamts zufolge sterben allein an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch Stickstoffdioxid ausgelöst werden, 6000 Menschen im Jahr. Zwar ist die Luft zuletzt in vielen Städten sauberer geworden, die EU-Grenzwerte halten aber noch längst nicht alle ein.
Neben den ÖPNV-Plänen sind weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung im Gespräch, etwa die Förderung von Elektroautos und -bussen oder eine andere Verkehrslenkung. Die Beihilfen für E-Busse und die dazugehörigen Ladestationen wurden von der EU-Kommission am Montag genehmigt. 70 Millionen Euro will die Bundesregierung dafür freigeben. Es handele sich um ein positives Beispiel für Maßnahmen gegen die Erderwärmung, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in Brüssel. Mit dem Geld sollen bis Ende 2021 öffentliche Verkehrsbetriebe dabei unterstützt werden, elektrisch betriebene oder aufladbare Hybridbusse anzuschaffen und Ladestationen dafür aufzubauen. Die Fahrzeuge sollen mit Ökostrom betrieben werden. Für das »Sofortprogramm saubere Luft« stehen den bundesdeutschen Kommunen insgesamt bis zu eine Milliarde Euro zur Verfügung.
Die Beratungen in Bonn standen einen Tag vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig unter besonderer Beobachtung. Die Richter wollen am Dienstag entscheiden, ob auch Fahrverbote für Diesel nach aktueller Rechtslage möglich wären.
Thema in Bonn dürften auch neue Pläne des Bundesverkehrsministeriums gewesen sein, die am Wochenende bekannt wurden. Demnach ist die Regierung bereit, teilweise Fachbeschränkungen für Dieselautos in besonders belasteten Straßen zu ermöglichen. Dies soll über eine Novelle der Straßenverkehrsordnung geschehen. Umweltschützer und die Grünen verlangen weiter eine bundesweite »blaue Plakette«, mit der generell nur saubere Diesel in bestimmte Stadtgebiete fahren könnten. dpa/nd
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