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Hacker-Club: IT-Sicherheit neu erfinden

Ausländischer Geheimdienst warnte Bundesregierung am 19. Dezember vor Angriff auf Datennetz des Bundes / Chaos Computer Club spricht von zahlreichen Lecks

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur seit etwa sechs Wochen sichere Hinweise auf die Hintergründe des Hackerangriffs auf das Datennetzwerk des Bundes. Sie seien am 19. Dezember von einem ausländischen Partnerdienst darauf hingewiesen, dass das Netzwerk attackiert werde, hieß es am Donnerstagabend in Sicherheitskreisen. Der Hinweis sei jedoch nicht spezifisch gewesen, so dass es bis etwa Mitte Januar gedauert habe, bis der Angriff habe verifiziert werden können. Er sei mutmaßlich bereits seit Ende 2016 im Gange.

Nach neuen Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll eine unter dem Namen »Snake« (Schlange) bekannte russische Hackergruppe hinter der Attacke stecken. Den Cyberspionen werden von Computerexperten auch Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt. Vorher war zunächst die Gruppe »APT28« oder »Fancy Bear« verdächtigt worden. Sie lokalisieren zahlreiche Computerfachleute in Russland und vermuten dahinter russische Regierungsstellen. Dafür hatte es in der Vergangenheit zahlreiche Indizien wie passende Ziele und Server von denen aus Attacken ausgingen, aber keine Beweise gegeben, weil die Attribution – die zweifelsfreie Zuordnung bei Hackerangriffen sehr schwierig und oft nicht möglich ist.

Das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages hatte am Donnerstag nach einer Unterrichtung durch Sicherheitsbehörden und Regierungsvertreter mitgeteilt, dass der Angriff noch im Gange sei. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versicherte aber, die Attacke sei isoliert und unter Kontrolle gebracht worden.

Dokument mit Osteuropabezug heruntergeladen

Die Sicherheitsbehörden hatten nach Entdeckung des Angriffs zunächst stillgehalten, um die Angriffsmuster der Hacker analysieren zu können. Nach dpa-Informationen beobachteten die Sicherheitsexperten erst kürzlich, dass die Angreifer im Auswärtigen Amt erstmals ein Dokument heruntergeladen hatten, das von einiger Bedeutung gewesen sei. Es habe einen Zusammenhang mit Russland und Osteuropa gehabt.

Der Vizevorsitzende des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr), hat vor vorschnellen Aussagen zum Ausmaß des Hackerangriffs auf die Kommunikationsnetze des Bundes gewarnt. »Das müssen wir jetzt erstmal prüfen. Wir wissen bisher überhaupt nicht, in welchem Umfang Daten geflossen sind, vor allem auch was die Qualität angeht«, sagte Linkspartei-Politiker André Hahn am Freitag dem RBB-Sender Radio eins.

Das Verteidigungsministerium war den Informationen zufolge offenbar nur mittelbar von der Attacke betroffen: Aktivitäten der Angreifer seien auf dem Computer eines Verbindungsmannes des Auswärtigen Amts im Wehrressort entdeckt worden. Der Computer dieses Mitarbeiters sei mit dem Internetsystem des Auswärtigen Amts verbunden gewesen.

Der Chaos Computer Club (CCC) forderte eine grundlegende Erneuerung der Konzepte für eine wirksame IT-Sicherheit. Der attackierte Informationsverbund Berlin Bonn entspreche zwar halbwegs dem Stand der üblichen IT-Security. »Aber der ist insgesamt nicht gut«, sagte Club-Sprecher Frank Rieger der Deutschen Presse-Agentur. »Die IT-Systeme sind derzeit wie eine Wasserleitung, bei der an unendlich vielen Stellen das Wasser rausspritzt. Und es wird viel darüber gestritten, ob man die Lecks mit blauem oder rotem Heftpflaster abdichtet. Wir benötigen aber eine neue Leitung.«

CCC will sichere Open-Source-Systeme für Behörden und Bürger

Der Fall zeige, dass man die IT-Sicherheit von Grund auf neu erfinden müsse, betonte Rieger. »Das dauert vielleicht zehn Jahre, bis man am Ziel ist. Aber wir müssen jetzt anfangen, die Softwarekomponenten, die bislang immer angreifbar waren, von Grund auf neu und sicher als offene Systeme zu entwickeln.«

Diese Programme könnten dann der Industrie, den Verbrauchern und auch dem Staat zur Verfügung gestellt werden. Das koste zwar viel Geld und erfordere staatliches Handeln, sei aber möglich. Rieger sprach von einer »Flickschusterei«. Wenn die fortgesetzt werde, stünde man in zehn Jahren immer noch ohne sichere Systeme da. Der Club-Sprecher warnte davor, voreilig Schlüsse zum technischen Ablauf der Attacke zu ziehen, solange die Details nicht transparent gemacht worden seien. »Das gilt auch für die Frage, wer für den Angriff verantwortlich ist. Das ist bislang alles Spekulation.«

Lesen Sie auch: Hilfe, die Hacker! Mutmaßlich russische Cyberkriminelle sollen sich im deutschen Regierungsnetz tummeln.

Der SPD-Innenpolitiker Burkard Lischka nannte es einen »Skandal«, dass das Geheimdienst-Kontrollgremium über die Medien von der Attacke erfahren hatte. »Der Bundestag wird nicht akzeptieren, dass er hier hinter die Fichte geführt worden ist«, sagte Lischka, selbst Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der »Passauer Neuen Presse«. »Sollte es keine plausible Erklärung des Kanzleramtes geben, könnten wir eine entsprechende Überprüfung der Informationspolitik des Kanzleramtes vornehmen.«

Geheimnisverrat?

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, verteidigte hingegen die Arbeit der Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung. Er habe den Eindruck, dass die Behörden sehr professionell, umsichtig und verantwortungsvoll mit dem Angriff umgingen, um den Schaden möglichst gering zu halten, sagte der CSU-Politiker der »Bild«-Zeitung . Die Kritik an der Informationspolitik der Bundesregierung könne er »in keiner Weise nachvollziehen«. Er kritisierte vielmehr das Durchsickern von Informationen über den laufenden Hacker-Angriff auf das Regierungsnetzwerk scharf. Gegenüber der »Rheinischen Post« sprach er von »Geheimnisverrat«.

Der Unions-Außenexperte Jürgen Hardt forderte als Konsequenz aus den Hackerangriffen ein weltweites Vorgehen gegen derartige Aktivitäten. »Wir brauchen eine internationale Ächtung von staatlichen Angriffen und Manipulationen in der digitalen Welt«, sagte er der »Rheinischen Post«. dpa/nd

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