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Links, liberal, Bürgerrechte
Auf der Klausurtagung diskutiert die Linksfraktion mit Innensenator und Justizsenator Sicherheitspolitik für Berlin
Fraktionsklausuren gehen auch solidarisch mit dem Koalitionspartner. Das stellte die Linksfraktion aus dem Berliner Abgeordnetenhaus bei ihrer zweitägigen Frühjahrstagung im brandenburgischen Rheinsberg unter Beweis. Zu den Podien zu Sicherheitspolitik und Bürgerrechten und der Debatte zur Videoüberwachung und dem Umgang mit dem Volksbegehren auf der Klausur hatten die Sozialisten nämlich auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Innensenator Andreas Geisel (SPD) eingeladen. Geisel dankte der Linksfraktion »ausdrücklich« für die Chance, auf der Tagung in der »sachlichen, solidarischen« Debatte mitdiskutieren zu können.
In einem Papier »Sicherheit und Bürgerrechte – wie geht das zusammen?« hatte die Linksfraktion ihre Vorstellungen für eine rot-rot-grüne Innenpolitik zusammengefasst. Kerngedanke des siebenseitigen Textes: »Etwas für Sicherheit tun, aber die Grundrechte schützen und sogar stärken.« »Es geht nicht nur darum, wir brauchen mehr Polizei – das ist keine Frage – die Frage ist, wo werden in der Polizei innovative Konzepte erarbeitet, um mehr Präsenz im Kiez zu erreichen«, sagte Udo Wolf. Der Linksfraktionschef forderte von Rot-Rot-Grün die Umsetzung einer »Polizeistrukturreform« sowie eine Reform der Einsatzstrategien. Eine »Bringepflicht« habe die Senatskoalition beim Thema Verbesserung für die Beamtenbesoldung - Berlins Polizisten werden im bundesweiten Vergleich besonders schlecht bezahlt.
Dass mit der Absetzung von Polizeipräsident Klaus Kandt und dem Wechsel von Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers Anfang vergangener Woche an die Spitze der Generalstaatswaltschaft auch eine Reform der Strukturen und Einsatzstrategien einhergeht- dieser Erwartung erteilte Innensenator Andreas Geisel (SPD) indes eine Absage. Die Erfolge beim Rückgang der Kriminalität, die sich in der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zeigen, seien bereits Ergebnis neuer Einsatzstrategien, sagte Geisel. Man werde aber an Stellen wie dem Einsatz von »Bodycams« über neue Eingriffsrechte sprechen müssen, so der Innensenator.
Geisel kündigte darüber hinaus für das Jahr 2018 eine Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) an, also des Polizeigesetzes in Berlin. Aus der Sicht des Innensenators gehört in diese Gesetzesänderung auch die Einführung eines »Finalen Rettungsschusses«, für den es bislang in Berlin keine rechtliche Grundlage gibt. Diese Möglichkeit für Polizisten sei aber angesichts der aktuellen terroristischen Angriffe in Europa notwendig. »Wir müssen Antworten geben, die auf der Höhe der Zeit sind.«
Auch eine Ausweitung der Videoüberwachung würde Geisel gerne im Polizeigesetz verankern. »Ich denke, dass es notwendig ist, an kriminalitätsbelasteten Orten mehr zu tun. Ich halte aber auch nichts von einer flächendeckenden Videoüberwachung«, sagte der Innensenator. Und: Videoüberwachung sei kein Allheilmittel, wie es das laufende Volksbegehren zu diesem Thema suggeriere, das sich derzeit in der rechtlichen Prüfung bei der Innenverwaltung befindet.
Finaler Rettungsschuss und partiell mehr Kameras aufzustellen, das lehnt die Linksfraktion rundweg ab. Es gebe eine schleichende Erosion der Grundrechte, erinnerte Vizeregierungschef Klaus Lederer (LINKE). »Wer, wenn nicht Rot-Rot-Grün, soll dem entgegenwirken?« Lederer sagte auch, dass es für eine linke Regierung beim Thema Innere Sicherheit nur wenig zu gewinnen, aber ganz viel zu verlieren gibt. Dennoch muss die LINKE das zu einem Schwerpunkt machen. Die Vorschläge der Linksfraktion für diesen Bereich sind: die Polizeipräsenz weiter zu erhöhen und durch einen Pakt mit den Beschäftigten die Arbeitsbedingungen für die Polizisten zu verbessern.
Für die Kriminalitätsschwerpunkte sollen neue Sicherheitskonzepte umgesetzt werden. Zu diesen gehören mehr mobile und feste Polizeiwachen, aber auch eine Ausweitung der Prävention und zugleich eine begleitende Sozialarbeit, um die repressiven Maßnahmen zu flankieren. Dass der Einsatz von mehr Personal vor Ort erfolgversprechend ist, wurde mit Verweis auf den Rückgang der Kriminalität am Kottbusser Tor von verschiedenen Diskussionsteilnehmern betont. »Das ist der Polizeieinsatz, den wir wollen«, sagte etwa Justizsenator Dirk Behrendt, der sich ebenfalls gegen eine »flächendeckende« Ausweitung der Videoüberwachung in Berlin aussprach.
Liberalisierungen debattierten die Vertreter des rot-rot-grünen Senatsbündnisses in Bezug auf die Entkriminalisierung des sogenannten Schwarzfahrens oder beim Besitz von Cannabis. Selbst SPD-Innensenator Andreas Geisel, dessen Partei eine Entkriminalisierung der Erschleichung von Beförderungsdienstleistungen strikt ablehnt, räumte ein, dass er ebenfalls eine Bundesratsinitiative zu diesem Thema in der Schublade habe, die Debatte innerhalb der SPD und der Koalition aber noch nicht abgeschlossen sei. Er als Person halte viel von der Debatte, sagte Geisel. Ein Signal, »Schwarzfahren« sei halb so schlimm, wolle er aber nicht. Außerdem könne Berlin nicht sagen, es schaffe das einfach ab, weil es um Bundesgesetze geht.
Dass Rot-Rot-Grün aber auch auf Landesebene eigene Schwerpunkte umsetzen will, zeigte sich unter anderem in dem Vorschlag für ein Werkzeug, dass die Justizverwaltung geschaffen hat, mit dem künftig Betroffene von Funkzellenabfragen der Behörden im Anschluss an die Ermittlungen über die Maßnahme informiert werden sollen. Außerdem plant die Koalition eine neues Versammlungsfreiheitsgesetz, das der Prämisse folgt, dass im Zweifel für die Versammlungsfreiheit zu entscheiden ist. So ein liberales Gesetz wird allerdings frühestens für das kommende Jahr erwartet. Auch zur Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten gibt es noch nichts Neues; dessen Einführung war eigentlich für dieses Jahr geplant.
Weiter auf der politischen Agenda steht eine Reform des Verfassungsschutzes, zu dem es im Koalitionsvertrages hieß, dass er auf seine Kernaufgaben beschränkt werden soll. Wie sich aber seit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz zeigte, pocht die SPD seitdem darauf, das Personal bei dem Nachrichtendienst gegen die islamistischen Bedrohungen aufzustocken.
So oder so stehen Rot-Rot-Grün weitere Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten im Bereich Innenpolitik bevor. »Warum sollen wir wichtige Grundrechte preisgeben, ohne eine Auseinandersetzung mit der Initiative zur Ausweitung der Videoüberwachung geführt zu haben?«, fragte Fraktionschef Udo Wolf. Eine seriöse Debatte über die Videoüberwachung habe es noch gar nicht gegeben. »Diese Auseinandersetzung müssen wir führen«, forderte Wolf.
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