Kenia: Zeitenwende im Strafrecht?

Klage von Schwulen und Lesben vor dem obersten Gericht fordert Entkriminalisierung

  • Leila van Rinsum, Nairobi
  • Lesedauer: 3 Min.

Kenias Generalstaatsanwaltschaft ist not amused: Für sie ist Homosexualität ein Straftatbestand und das sollte so bleiben. Ob es so bleibt, ist offen. Eine Klage vor dem obersten Gericht in Nairobi von kenianischen Menschenrechtlern ersucht die Abschaffung der kolonialen Paragrafen 162 und 165 des kenianischen Strafgesetzbuches, welche Sex zwischen Männern und »grobe Anstößigkeiten« gegen die »Ordnung der Natur« mit bis zu 14 Jahren Haft bestrafen.

Sollten die drei Richter zustimmen, dass die besagten Paragrafen gegen die Verfassung verstoßen, wie die Kläger argumentieren, könnte Kenia nach Südafrika und den Seychellen das dritte afrikanische Land werden, das die Kriminalisierung von Lesben und Schwulen aufhebt.

Versammelt hinter Anwalt und Aktivist Eric Gitari, Direktor der Kenyan National Gay and Lesbian Human Rights Commission (NGLHRC), reichten die kenianischen Menschenrechtler im April 2016 ihre Klage gegen die Generalstaatsanwaltschaft ein.

Am 22. Februar 2018 begannen die Anhörungen in einem voll besetzten Gerichtssaal, ein Urteil wird in ein bis zwei Monaten erwartet. Als »dramatisch« bezeichnet Gitari den Auftakt des Prozesses. Die Generalstaatsanwaltschaft argumentiert, die Abschaffung der Paragrafen würde »unnatürliche Vergehen« zwischen Personen gleichen Geschlechts erlauben und eine Plattform für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe liefern.

Ebenfalls gegen die Klage ist das Kenya Christian Professionals Forum (KCPF), deren Anwalt Charles Kanjama von Inzest bis Bestialität kein Vorurteil im Kreuzverhör auslässt. Es sei auch hilfreich, dass die Verteidigung all diese allgemein verbreiteten Behauptungen und Stereotypen anführe, findet Gitari. Der Aktivist hofft, dass dadurch eine öffentliche Diskussion stattfindet, die mit Vorurteilen gegen Personen der LGBTI Gemeinschaft aufräumt. LGBTI steht für Lesben, Schwule (englisch: Gays), Bisexuelle, Transsexuelle und für intersexuelle Menschen.

»Die Verfassung ist auf unserer Seite«, sagt Gitari, »die Gefahr ist moralische Voreingenommenheit«. Kenia hat sich in 2010 eine neue Verfassung gegeben, die die alte koloniale ablöste, und als eine der progressivsten der Welt gilt. »Wir hoffen, dass die Richter fähig sind, die Vorurteile zu durchschauen«, so Gitari, »die Verfassung sagt, dass wir gleiche Rechte und Schutz vor dem Gesetz haben, aber der Strafparagraf verhindert das und ermöglicht willkürliche Verhaftungen.«

559 Menschen wurden zwischen 2010 und 2014 nach den besagten Paragrafen strafrechtlich belangt, fand ein Bericht der Regierung. Anlass zur Klage ist unter anderem ein Gerichtsverfahren über die Praxis von Anal-Untersuchungen, die die NGLHRC am obersten Gerichtshof in Mombasa anfocht und verlor. Das Gericht argumentierte, solche Untersuchungen seien die einzige Methode, um Analsex zwischen Männern nachzuweisen und sie so der Straftat zu überführen. Die NGLHRC bezeichnet die Praxis als grausam und Verstoß gegen die Menschenwürde.

Die Kriminalisierung von Homosexualität beeinflusst aber auch den Zugang von LGBTI-Personen zu öffentlichen Dienstleistungen und allgemeinem Recht. »Häufig weigern sich Polizisten, Vergewaltigungen an lesbischen Frauen zu untersuchen oder der Erpressung von schwulen Männern nachzugehen oder der Gewalt gegen Transgender und Schwulen auf der Straße«, sagt Gitari.

»Wir haben LGBTI-Personen, die sich verstecken. Wenn sie entkriminalisiert werden, können sie sich zeigen und Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung erhalten«, sagt der unter dem Name »Manduli System« bekannte Sexarbeiter dem »nd«. Auch Krankenpfleger Jay Angwenyi erhofft sich, dass nach Abschaffung der Paragrafen, LGBTI-Personen Zugang zu notwendigen Vor- und Nachsorge haben, nur so könne die HIV/AIDS Epidemie bekämpft werden.

Sollten die Richter der Klage zustimmen und somit de facto Homosexualität in Kenia entkriminalisieren, könnten Menschenrechtler in anderen afrikanischen Ländern darauf verweisen. Es wäre ein starkes Argument.

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