- Brandenburg
- Vor der Landtagswahl in Brandenburg 2019
CDU liebäugelt mit roten Socken
Nach der Landtagswahl 2019 dürfte die Regierungsbildung schwierig werden
Nachdem die SPD-Mitglieder mehrheitlich für eine große Koalition im Bund gestimmt haben, äußerten sich die Landesvorsitzenden in Brandenburg am Sonntag fast gleichlautend. »Ich bin froh, dass nun Klarheit herrscht. Deutschland braucht eine stabile Regierung«, erklärte SPD-Landeschef Dietmar Woidke. »Die Hängepartie um die Bildung einer großen Koalition hat nun endlich ein Ende«, seufzte der CDU-Landesvorsitzende Ingo Senftleben. »Wir brauchen eine stabile Regierung.«
Mit Blick auf die Landtagswahl 2019 steht derweil die Frage, wie danach noch eine stabile Regierung gebildet werden soll. Den letzten Umfragen zufolge würde Rot-Rot nach dann zehn Jahren an der Macht keine Mehrheit mehr haben. Aber auch eine große Koalition aus SPD und CDU geben die Zahlen in Brandenburg nicht her. Nicht einmal für Rot-Rot-Grün würde es reichen, wenn man eine am 11. November vergangenen Jahres veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap zum Maßstab nimmt. Dreierkonstellationen mit der FDP, wenn sie denn ins Parlament einzieht, hätten auch keine Mehrheit. Dabei sind die Verluste, die die SPD seit November im Bundesmaßstab hinnehmen musste und die sicherlich auch in Brandenburg zu verzeichnen waren, noch nicht einmal eingerechnet. Als einzige Möglichkeit, eine stabile Regierung aus drei Parteien zu bilden und die AfD außen vor zu lassen, bleibt also ein noch nie dagewesenes Bündnis auf Landesebene aus SPD, CDU und LINKE.
So deutlich hat das noch keiner öffentlich ausgesprochen. Doch die Landes- und Fraktionsspitzen müssen dem Gedanken einer eventuellen Regierungszusammenarbeit von CDU und LINKE näher treten, so unangenehm ihnen das auch immer sein mag und so gern die LINKE die rot-rote Koalition fortsetzen würde.
Zwar wird eine Zusammenarbeit auf Bundesebene noch immer ausgeschlossen. Auf Landesebene wäre eine Rote-Socken-Kampagne wie dieberühmt-berüchtigte des inzwischen verstorbenen CDU-Generalsekretärs Peter Hintze im Bundestagswahlkampf 1994 wohl heute nicht mehr denkbar - nicht einmal im Jahr 2019, wenn die Landtagswahl ungefähr auf den 30. Jahrestag der Wende fallen wird, was immerhin reichlich Anlass zu antikommunistischen Reflexen bieten wird.
Als Gast bei einer Klausur der Berliner Linksfraktion im Seehotel Rheinsberg formulierte Brandenburgs Linksfraktionschef Ralf Christoffers am Freitag: »Wir werden Gespräche mit keiner demokratischen Partei ausschließen, auch nicht Gespräche mit der CDU.« Christoffers sagte dies unter dem Eindruck einer Meinungsumfrage für die Stadt Cottbus. Dort würde die AfD bei einer Landtagswahl momentan 29 Prozent der Stimmen erhalten und die SPD nur 15 Prozent.
Nach Ansicht von Christoffers müssen die demokratischen Parteien unter Beweis stellen, dass sie miteinander umgehen können. Die politische Stimmung im Bundesland beschrieb der erfahrene Berufspolitiker mit dem Satz: »Die Menschen sind nicht mehr bereit, auf Lösungen zu warten.« Wenn es keine schnellen Lösungen für ihre Probleme gebe, dann wählen sie die AfD - und dies aus Protest und nicht unbedingt, weil sie das Programm dieser Partei gut finden. Christoffers beschrieb eine Sondersituation in Ostdeutschland und speziell in Brandenburg. 70 Prozent der Einwohner mussten nach 1990 einen neuen Beruf erlernen, weil sie in ihrem alten Metier keine Chance mehr hatten. Manch einer hat noch einmal die Schulbank gedrückt, sich qualifiziert und ist trotzdem arbeitslos geblieben.
Ingo Senftleben, der nicht nur CDU-Landesvorsitzender ist, sondern auch an der Spitze der CDU-Landtagsfraktion steht, erregte im Januar Aufsehen mit dem Bekenntnis, er würde nach der Landtagswahl 2019 die AfD und die LINKE zu Gesprächen einladen. SPD und Grüne empörten sich postwendend und konzentrierten sich dabei auf die Avancen gegenüber der AfD.
So schimpfte Grünen-Landeschefin Petra Budke: »Das ist ein unpassendes Angebot zur Unzeit. Die AfD hat in Brandenburg schon lange gezeigt, dass sie mit ihrer menschenfeindlichen Politik das Land spaltet und den Grundkonsens in unserer parlamentarischen Demokratie in Frage stellt. Dies ist keine Partei, mit der man Gespräche über eine Regierungsbildung führen kann. Die CDU wäre gut beraten, das Törchen zur AfD, dass ihr Vorsitzender Ingo Senftleben gerade öffnen will, schnell wieder zuzuschlagen.«
Weniger Beachtung fand zunächst das Gesprächsangebot an die LINKE. Detaillierte nd-Anfragen, ob und wie sich die CDU eine Koalition mit der Linkspartei vorstellen könnte, ließ die CDU bis heute unbeantwortet. Senftleben soll jedoch unter der Hand verraten haben, dass er im Falle eines Wahlsiegs als erstes die LINKE zu Sondierungen einladen würde, wie »nd« aus zuverlässiger Quelle erfuhr.
Das würde auch besser zum bisherigen Kurs von Ingo Senftleben passen, einem Arbeitersohn, der zunächst wie schon sein Vater Bauarbeiter war und sich auf dem zweiten Bildungsweg hochgearbeitet hat - eine Biografie, die von der Papierform her besser zur SPD oder zur Linkspartei passen würde. Heimat und Familie sind Senftleben ganz klassisch konservativ wichtig, andererseits hat er sich bei Fragen wie der Homoehe als modern und tolerant denkend gezeigt. Die Zustimmung der CDU-Fraktion neulich zu einem AfD-Antrag war da eher ein Ausrutscher. Ansonsten grenzte sich die brandenburgische CDU mehrheitlich ziemlich glaubwürdig von der AfD ab.
Auf kommunaler Ebene hat es die Zusammenarbeit von Christdemokraten und Sozialisten schon gegeben - erfolgreich einstmals bei der Wahl von Hans Lange (CDU) zum Landrat der Prignitz, gescheitert bei der Oberbürgermeisterwahl 2006 in Cottbus, als die LINKE Holger Kelch (CDU) unterstützte, und in Schulzendorf, wo die CDU 2017 Sozialistin Winnifred Tauche zusammen mit der Linkspartei als Bürgermeisterkandidatin aufgestellt hatte. Tauche schaffte es in die Stichwahl, verlor diese dann aber gegen Bürgermeister Markus Mücke (für SPD).
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.