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Rebellische Technik-Barrikaden braucht das Land

Fortschritt bringt neue Ungleichheiten hervor. Soziale und ökologische Gerechtigkeit braucht technologische Gegen-Hegemonie, meint Alberto Acosta

  • Alberto Acosta
  • Lesedauer: 3 Min.

Um den technischen Fortschritt für die Mehrheit der Menschen nutzbar zu machen, muss die Frage gestellt werden, wer die neuen Technologien und das neue Wissen kontrolliert. Der US-Milliardär George Soros zog jüngst einen vielsagenden Vergleich. Würden Erdölkonzerne und Bergbaufirmen die Umwelt ausbeuten, würden die Sozialen Netzwerke die Lebenswelt ausbeuten. Ein Konzern wie Facebook, zu dem heute Instagram und Whatsapp mit über 2,1 Milliarden Usern gehören, beeinflusst das Denken und Handeln der Menschen, was schnell zu einem Demokratie-Risiko wird. 67 Prozent der US-Bürger informiert sich über die Sozialen Medien. In China hat die Regierung zur Massenüberwachung die Gesichtserkennung eingeführt, 176 Millionen Kameras aufgestellt, 2020 sollen 200 Millionen Kameras dazukommen.

Viele neue Technologien schaffen, wie im letzten Beitrag zur Technik-Revolution beschrieben, neue Formen der Ungleichheit und Ausbeutung. Auch Effekte wie Entfremdung, Beherrschung und Hegemonie sind Teil der rasenden Entwicklung. Herrschaft über Technologie wird zur Normalität. Die Herrschaft wird für die Beherrschten schließlich zu einem Wunsch; denken wir an all die Menschen, die verzweifelt Schlange stehen für den Kauf neuer Telefone, die ihre Gesichter scannen und abspeichern. Es gilt zu verhindern, dass die Maschine den Menschen beherrscht, Denker wie Iván Illich und André Görz haben das bereits klug beschrieben und ein Umdenken eingefordert.

Die Fähigkeiten der Menschen zur Reparatur von Maschinen, um diese zu kontrollieren statt sich von ihnen kontrollieren zu lassen, müssen gestärkt werden. Die Haltbarkeit von Geräten muss gesteigert werden, statt weiter auf Obsoleszenz von Produkten, die auf künstlich beeinflusste Art altern und kaputt gehen, zu setzen. Von einer auf den Materialverbrauch basierenden Wirtschaft muss Schritt für Schritt zu einer Ökonomie immaterieller Güter übergegangen werden, die den Planeten nicht verschmutzen.

Die tausenden von Antworten, die weltweit bereits von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie urbanen Gärtnerinnen und Gärtnern gegeben werden, um die Ernährungssouveränität von unten zu sichern, müssen gehört und aufgegriffen werden. Besonders in den großen Städten tauschen gesellschaftliche Akteure schon jetzt gegenseitig handwerkliches Wissen aus. Sie verändern verlassene Flächen, errichten neue Räume der Selbstverwaltung, die offen für jede und jeden sind. Über solche Aktivitäten vergrößern sich auch die angegriffenen Handlungsspielräume, wie uns das Beispiel von Christa Müller von der Stiftung »Anstiftung« zeigt.

Dabei kann Technologie, vor allem solche zur Einsparung von Arbeitskraft (körperlich und geistig) eigentlich zur Befreiung des Menschen von der Arbeit beitragen, die zur Kapitalakkumulation geleistet wird. Sie kann die Arbeitszeit verkürzen. Erreicht werden könnte diese Befreiung durch Technologie, durch die Freigabe wissenschaftlichen Wissens, durch die Verknüpfung mit vormodernen Wissensformen, vermittelt über einen respektvollen Dialog. Parallel dazu müssen die Produktions- und Konsumstrukturen verändert werden, um Gesellschaften aufzubauen, in denen die Ausbeutung der Menschheit und Natur unmöglich wird.

Wir sehen uns heute multiplen Komplexitäten gegenüber, die über monokausale Erklärungen nicht zu verstehen sind. Und denen noch viel weniger mit eskapistischen Antworten zu begegnen ist. Wir benötigen multiple, unterschiedliche, kleine und große Antworten. Die Körper, die in den Fokus der Macht gelangt sind, diese Körper sind und werden die Schlachtfelder der Zukunft sein.

Der Kampf wird einmal mehr von unten geführt werden müssen, über die Vervielfachung von Rebellionen, Widerstand und zivilem Ungehorsam. Ziel müssen die kleinen, großen und alltäglichen Technologie-Nutzungen sein – all jene, die in der Errichtung von Hegemonie münden. Was wir für soziale und ökologische Gerechtigkeit brauchen, ist eine technologische Gegen-Hegemonie.

Übersetzung: Benjamin Beutler

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