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Der Trick mit der Emanzipation
Eine Entdeckung in Köln: Der sozialistische Filmemacher und Exilforscher Günter Peter Straschek im Museum Ludwig
In einer von Eran Schaerf entworfenen Ausstellungsarchitektur ist nun etwa »Hurra für Frau E.« (1967) zu bestaunen. In nur sieben Minuten erfasst diese formstrenge, gespenstisch aktuelle Dokumentation die elende Situation einer alleinerziehenden Mutter. Während ihre Kinder obszöne Figürchen kritzeln, erzählt Frau E. ohne Groll davon, wie ihre Männer sie als »Beefsteak« genossen haben, sie zählt auf, was sie von den Ämtern kriegt, ein Herr vom Amt erläutert ungerührt die Gesetzeslage und die Marktfrau weiß, weshalb bei Frau E. so selten Obst und Gemüse auf den Tisch kommen; sie kann es sich nicht leisten. Am Ende ist sie mit einem Freier zu sehen.
Dieses Bild, die stilisierte Umarmung von Mann und Frau als Emblem der Prostitution, wird in den beiden kommenden Filmen mehrfach wiederkehren. Es gibt wenige Filmemacher, die das Verhältnis der Geschlechter so unbarmherzig wie Straschek als eines der Macht gedeutet haben. Er ist einer von der Sorte, an der es schon 1968 empfindlich gemangelt hat: ein Materialist.
Um das einzusehen, genügt es, eine einzige Szene aus seinem Film mit dem sperrigen Titel »Zum Begriff des ›kritischen Kommunismus‹ bei Antonio Labriola (1848-1904)« (1970) zu kennen: Ein nackter Mann (Christoph Glaubitt) sitzt auf der Bettkante, eine Frau (Helma Fehrmann) liegt verdrossen unter der Bettdecke. Sie schweigen. Gelassen fährt die Kamera um die beiden herum. Als sie im Rücken des Mannes steht, wendet dieser sich zur Frau und spricht den einen Satz: »Ich verstehe nicht, dass ihr noch immer auf unseren Trick mit der Emanzipation reinfallt.«
Das »seichte Gerede von Veränderung und Emanzipation« will Oberflächen tapezieren, nicht Produktions- und Besitzverhältnisse ändern. Strascheks Szene ist nicht nur ein kaustischer Kommentar auf die Situation der Frauen, sondern auf 1968 insgesamt. Angeregt von dem klugen Realisten Labriola, untersucht er, was übrig bleibt, wenn einer von der Revolte den kulturellen Kokolores von »gelber Linie« und »rotem Dany« abzieht: nicht viel.
Noch sarkastischer ist er in seinem »Western für den SDS« (1967/68). Der Kurzfilm beginnt stumm und zeigt eine Sekretärin, »Fräulein A« (Margit Beddies), wie sie arbeitet, wie sie lebt, mit wem sie ausgeht. Schließlich sitzt sie auf dem Bett und der Mann ihr gegenüber fordert seine Rechte ein: »Warum wollen Sie sich nicht ausziehen?« Der erste Satz, der erste Ton des Films enthält bereits die ganze Logik der Ausbeutung. Der Ausbeuter fordert von einer, die ohnehin fast alles mitmacht, zu begründen, weshalb sie nicht noch viel mehr mitmacht.
Es folgen die Fräuleins B und C, die die Lage durchschauen, aufmüpfig werden, kämpfen. Aber der böse Straschek lässt die Geschichte im Geschwätz enden. Der Funktionär des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds SDS (dargestellt von SDS-Funktionär Christian Semler) belehrt das brav lauschende Fräulein C (Elke Edelmann) darüber, weshalb »Voluntarismus« eine »Produktivkraft« werden könne und was die Frauen dabei alles zu tun hätten.
Im »Western für den SDS« sind die Männer am Drücker, der Film könnte, obwohl seine sozialistische Haltung keinen Zweifel duldet, ebenso gut ein Western gegen den SDS sein. Doch das wird seinerzeit niemand mitgekriegt haben, denn der Film wurde noch vor seiner Uraufführung von der Leitung der Westberliner Filmakademie, mit deren Mitteln er entstanden war, beschlagnahmt und galt bis zu der Kölner Ausstellung als verschollen.
Kameramann des »Western« ist Holger Meins, später RAF, mit dem Straschek in Frankfurt/Main sozialistische Filmarbeit mit Schülern machte. Die Idee war, dem Kino neue Produktionsmöglichkeiten und eine neue Zielgruppe zu erschließen. Und als sich das aus äußeren Gründen als unmöglich erwies, demonstrierte Straschek mit seinem »Handbuch wider das Kino« (1975), wie politisch es allein schon ist, Kino nicht schöngeistig, sondern von der Produktion her zu betrachten. Sein Text ist nicht nur frei von der bekannten Kinoromantik, er hat hellseherische Qualität: »In ein paar Jahren wird der ›Politfilm‹ so abgetakelt erscheinen, wie es die verschiedenen Neuen Wellen heute sind - die besseren Opportunisten suchen sich schon jetzt zukunftsträchtige Genres.«
Überhaupt war Straschek ein begnadeter Polemiker. In einer Ausgabe der »Filmkritik« (8/1974), die der Kölner Katalog vollständig faksimiliert, lesen wir: »Attackiert irgendein CSUdepp einen linken Schriftsteller beim Biertisch, so schlägt der nicht zurück, sondern beginnt wehleidig über das ›mangelnde Demokratieverständnis‹ zu klagen.« Aber wer über die »normale Reaktion der Reaktion« klagt, ist der nicht bereits ihr Teil?
Die Rechten sind die Rechten, Straschek stört sich an der Lauheit der Linken und greift den Kulturbetrieb frontal an. Er nennt Namen. Das ist unverzeihlich. So muss seine Karriere bereits 1975 mit »Filmemigration aus Nazideutschland« enden, einer fünfstündigen Fernsehserie, die so gut ist, dass sie seit 40 Jahren nicht mehr ausgestrahlt wurde.
Auch in dieser Serie betrachtet Straschek Kino von der Produktion her, seine Macher interessieren ihn, nicht seine Stars. Er will die Geschichte des unbekannten Kameramanns, des Drehbuchautors, der Sekretärin hören. Er hasst es, dass die Bürger Albert Einsteins Auswanderung schlimmer finden »als den Gastod von Klein-Cohn, von Kommunisten, Homosexuellen, Zigeunern und anderen sogenannten ›Elementen‹«.
Dieser Rigorismus fordert seinen Preis. Denn gerade weil Straschek bis zu seinem Tod 2009 über die deutschen Filmemigranten forscht, kann seine Forschung nicht zum Geschichtsbuch gerinnen, kann sie niemals fertig werden. Seine Frau, Karin Rausch, sagt, jedes Interview mit einem Vertriebenen habe neue Namen ins Spiel gebracht. Und Straschek will auch wissen, wie deren Familien in Mitleidenschaft gezogen wurden. Er will dem nazistischen Terror, wenigstens auf diesem Gebiet, bis in seine letzten Verästelungen nachspüren. Er hat das einmal »Rache« genannt, aber es ist noch weit mehr.
Rausch fühlt sich an einen Film von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet erinnert, mit denen Straschek befreundet war. In der »Chronik der Anna Magdalena Bach« (1968) werden die Namen der Kinder aufgezählt, die im Hause des Komponisten geboren wurden und gestorben sind. »Da wurde mir bewusst, dass Musik Arbeit, dass sie mit dem Leben, mit den Kindern und auch mit dem Sterben verbunden ist.« Weil Kunst und Kino Arbeit sind, hat Straschek die historischen und ökonomischen Bedingungen dieser Arbeit freilegen wollen. Sein Blick fasziniert allein schon, weil er sich von dem der Zeitgenossen so wohltuend unterscheidet. Das Wahre ist nicht immer das Schöne, aber es ist doch meistens das Interessante.
»Günter Peter Straschek: Emigration - Film - Politik«, bis zum 1. Juli im Museum Ludwig, Köln. In dem bei Walther König erschienenen Katalog (336 S, 29,80 €) findet sich auch ein Beitrag unseres Autors.
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