Die schöne Welt nach der Braunkohle
Beim »Forum Lausitz« bekennen sich Brandenburg, Sachsen und Bund zur Verantwortung für die Tagebauregion
Rund 8000 Menschen sind in der Kohle- und Energiewirtschaft Brandenburgs beschäftigt. Viele von ihnen arbeiten in gut bezahlten Jobs. Auch das macht es der Politik neben den Fragen des Klima- und Umweltschutzes und der Versorgungssicherheit mit Energie so schwer,den Strukturwandel in der wirtschaftlich bedeutsamen Lausitz zu organisieren. Ende der Woche tagte in Weißwasser das »Forum Lausitz«, geleitet von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und unterstützt vom Bundesforschungsministerium und dem Land Brandenburg.
Auf der Tagung versicherte Thomas Kralinski, Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Brandenburg werde seine Verantwortung bei der Entwicklung der Lausitz zu einer modernen Wirtschafts- und Industrieregion aktiv wahrnehmen. Man wolle dafür dort weitere Verbündete gewinnen, vor allem regionale Initiativen und die EU, sowie wissenschaftliche Einrichtungen stärken. Im gerade verabschiedeten Nachtragshaushalt habe der Landtag mehr als eine Million Euro für Wissenschaft und Forschung eingestellt, um Fraunhofer-Projektgruppen in der Biotechnologie an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg zu unterstützen. »Mit dieser gezielten Förderung wollen wir den Strukturwandel in der Bergbauregion vorantreiben und einen nachhaltigen Beitrag für die Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze in der Region leisten«, sagte Staatssekretär Kralinski.
Bei Ausbau der Infrastruktur sei »Brandenburg gegenüber dem Bund in Vorleistungen gegangen, damit der zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke Lübbenau - Cottbus schneller kommen kann«, so Kralinski. In der regionalen Wirtschaft seien 370 Millionen Euro im Industriepark Schwarze Pumpe der Spremberger Papierfabrik investiert worden. Von der neuen Bundesregierung erwarte er ein »klares strukturpolitisches Bekenntnis«. »Wir brauchen Planungssicherheit aus Berlin«, sagte Kralinski. Zugleich werde ein erfolgreicher Strukturwandel auch davon abhängen, »wie die EU zukünftig mit ihren langjährigen Energiezentren umgeht«. Ende 2017 hätten sich europaweit 42 Bergbauregionen zur EU-Kohleplattform zusammengeschlossen. »Wir wollen die Lausitz dort als eine Pilotregion etablieren«, betonte der Staatskanzleichef. »So lässt sich die Stoßrichtung der europäischen Förderstrategie von der Spitze aus vorgeben.«
»Die Lausitz ist eine wirtschaftlich starke Region, und das soll auch so bleiben«, erklärte Brandenburgs Wirtschaftsstaatssekretärs Hendrik Fischer auf dem Forum. In den 1990er Jahren habe die Region große Deindustrialisierung und Arbeitsplatzabbau erlebt. Doch gemeinsam mit den Menschen vor Ort, den Unternehmen, Verwaltungen und Hochschulen hätten die Landesregierungen die Industrie- und Energieregion Lausitz wieder aufgerichtet. Daher müsse man erneute Strukturbrüche unbedingt vermeiden. Bei der Gestaltung des Strukturwandels gehe es nicht um soziale Almosen, sondern um aktive Industriepolitik. Die Lausitz solle auch 2050 eine starke und innovative Industrieregion mit hoher Wertschöpfung und gut bezahlten Jobs sein.
Diese Position unterstützt auch die brandenburgische LINKE. Thomas Domres, energiepolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, sagte dem »nd«: »Der Strukturwandel in der Lausitz ist eine Herausforderung, die Brandenburg und Sachsen nur gemeinsam mit dem Bund und der EU bestehen können.« Kernvoraussetzungen dafür seien eine funktionierende Wissenschaftslandschaft und Infrastruktur. »Den sollten wir auf breitere Schultern verteilen und weitere Akteure gewinnen - etwa aus dem Kultur- und Kreativbereich, aus Handwerk und Gewerbe«, so Domres. Der Ausstieg aus der Braunkohlewirtschaft sei im Interesse des Klimaschutzes unabwendbar. Doch ihm müsse energiewirtschaftlich sinnvolles Handeln zugrunde liegen. »Energiepolitik muss sicher, bezahlbar, ökonomisch und ökologisch vertretbar sein. Sie braucht aber auch Akzeptanz.«
Das »Forum Lausitz« habe außer warmen Worten wenig Konkretes erbracht, kritisierte dagegen die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Potsdamer Landtag, Heide Schinowsky. »Wenn die Vertreter des Bundes wie auch die Länder Sachsen und Brandenburg nicht ansatzweise bereit sind, den Kohleausstieg in den Blick zu nehmen, steht die Bewältigung des Strukturwandels auf tönernen Füssen«, teilte sie in einer Erklärung mit. »Ohne Fahrplan für einen Kohleausstieg gibt es weder für die Menschen in der Lausitz noch für die Wirtschaft Planungssicherheit.« Doch wohin die Reise gehen solle, sei offen geblieben. Aus Sicht der Grünen habe die Konferenz ihr Thema verfehlt.
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