Soli-Party für inhaftierte Antifaschisten attackiert

Russischer Inlandsgeheimdienst FSB will Terrornetzwerk ausgehoben haben / Beweislage gegen Inhaftierte extrem dünn

  • Ute Weinmann, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Solidarität mit politischen Gefangenen ist in Russland keine leere Worthülse. Besondere Brisanz kommt derzeit den Strafermittlungen gegen sechs junge Männer in Pensa und zwei in St. Petersburg zu, denen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird mit dem Ziel, zahlreiche Anschläge während der Präsidentschaftswahlen und der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft geplant zu haben.

Für deren juristische Verteidigung werden nicht zuletzt auch finanzielle Mittel benötigt. In der St. Petersburger Bar Holy Water fand deshalb am vergangenen Sonntag ein Solikonzert mit der Gruppe Arkady Kots statt, die mit ihrem breiten Repertoire an kämpferischem Liedgut für Aufsehen und beste Stimmung sorgte. Dabei kam es zu einem Zwischenfall.

Mehrere Neonazis versuchten die Veranstaltung zu sprengen, wurden allerdings mit Hockern und Papierkörben in die Flucht geschlagen. Zur Verteidigung versprühte jemand aus dem Publikum Reizgas. Niemand kam zu Schaden und der Abend endete in Siegesmanier auf der Straße mit dem bekannten Refrain aus Miss Pavlichenko von Woody Guthrie »For more than three hundred nazis fell by your gun«, in der russischen Übersetzung von Arkady Kots.

Bis zu einem Erfolg für die acht vermeintlichen Mitglieder des »Netzwerkes«, wie der ermittelnde Inlandsgeheimdienst FSB den Zusammenhang von Aktivisten aus dem antifaschistischen und anarchistischen Spektrum in den Akten bezeichnet, ist es noch weit. Sieben von ihnen sind derzeit in Haft. Am 13. März veranlasste ein Gericht in Pensa die Verlängerung der Untersuchungshaft für Dmitrij Ptschelintsew, dem knapp 26 Jahre alten Hauptverdächtigen, bis Mitte Juni. Angereiste Unterstützerinnen und Unterstützer durften der Verhandlung nicht beiwohnen.

Der leitende Ermittler der FSB-Abteilung in Pensa, Walerij Tokarew, veranlasste den Ausschluss der Öffentlichkeit, obwohl die Ermittlungsakten keinerlei Staatsgeheimnisse enthielten. Die Beweislage sieht jedenfalls extrem dünn aus und soll sich hauptsächlich auf durch Folter erpresste Geständnisse stützen. Ptschelintsew widerrief seine Aussagen später und teilte seinem Anwalt mit, er sei nach der Festnahme und in U-Haft gefoltert worden. Nach ersten Presseberichten darüber soll Ptschelintsew erneut misshandelt worden sein, woraufhin er von seinen Berichten über seine Haftsituation Abstand nahm.

In St. Petersburg hingegen konnten Dutzende Spuren von Stromschlägen am Körper von Wiktor Filinkow von einer unabhängigen Kommission rechtzeitig dokumentiert werden. Filinkow reichte zudem einen Antrag auf Prüfung der Umstände seiner Festnahme ein, deren Ergebnis noch aussteht. Fünf Stunden lang wandten Männer in Masken Gewalt gegen ihn an und hörten nicht einmal dann auf, als Filinkow sich bereit erklärte, alle Vorwürfe gegen ihn zu bestätigen.

Mitte Februar befestigten Unbekannte am Zaun vor dem Gebäude des FSB in Tscheljabinsk ein Transparant mit der Aufschrift »Der FSB ist der eigentliche Terrorist«. Später erfolgte die Festnahme von fünf Personen, wobei zwei von ihnen ebenfalls von schweren körperlichen Misshandlungen durch den Staatsschutz berichteten.

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