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Experte: Polizeianwärter wollen selbst Disziplin
Sonderermittler informierte im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses über Arbeit der Polizeiakademie
Am Montag hat Sonderermittler Josef Strobl seine ersten Eindrücke von der Arbeit der Polizeiakademie in Spandau vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses geschildert. Der frühere Leiter der bayerischen Polizeiakademie Sulzbach-Rosenheim war von Innensenator Andreas Geisel (SPD) zu Rate gezogen worden. Ein erster Bericht zu den Zuständen an der in die Kritik geratenen Akademie soll am 8. Juni vorgelegt werden, die endgültige Schwachstellen-Analyse am 7. September folgen.
Mangelhafte Ausbildungsbedingungen, Disziplinlosigkeit, zu wenig Personal: In der Vergangenheit häuften sich die Vorwürfe an der Strukturreform der Polizeiakademie. Lehrende beklagten zudem, bei der Reform nicht genügend eingebunden zu werden.
Josef Strobl war 42 Jahre im bayerischen Polizeidienst. Neben seiner Tätigkeit im höheren Vollzugsdienst war er 16 Jahre lang Abteilungsleiter für Polizeimanagement an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, bis er Leiter der Polizeiakademie Sulzbach-Rosenheim wurde. »In den letzten zehn Jahren war das Bayerns größte Polizeidienststelle mit über 1500 Beschäftigten. In der Größe kommt das der Berliner Polizeischule gleich. Ich kenne die Schwierigkeiten, die auf das Personal und die Auszubildenden zukommen«, so der 61-Jährige. Mit uneingeschränkter Akteneinsicht und dem Recht, alle Dienstkräfte zu befragen, soll er prüfen, wie sich die Ausbildung der Polizisten verbessern lässt. »In der Vergangenheit ist da viel Porzellan kaputtgegangen. Es geht darum, wieder die Menschen, die den Reformen dort skeptisch gegenüberstanden, mit ins Boot zu holen. Mir scheint, dass die Experten dort auch vor Ort sitzen«, erklärt Tom Schreiber (SPD). Aus seiner Sicht sollten die Lehrkräfte der Polizeiakademie mit in den Reformprozess und die Untersuchungen des Experten eingebunden werden. Und Frank Zimmermann (SPD) ergänzt: »Es geht uns darum, Schwachstellen und Defizite zu identifizieren, so dass wir feststellen, welche Konsequenzen daraus folgen sollen.«
»Wir haben bisher etliche Gespräche mit Mitarbeitern der Senatsinnenverwaltung, der Akademieleitung, den Führungskräften und dem Personalratsgremium geführt«, sagt Strobl. Er habe bisher 17 Lehrer und zehn Auszubildende befragt und einzelne Unterrichtsstunden besucht. »Wir wurden dabei in der Akademie mit offenen Armen empfangen«, so der Experte.
Auf die Frage von Burkard Dregger (CDU), »wie es um die Disziplinlosigkeit an der Polizeiakademie steht«, antwortet Strobl: »Die Auszubildenden selbst wünschen sich mehr Disziplin bei ihren Vorgesetzten. Die jungen Leute wollen einen Halt, die wollen Linien und Leitplanken, in denen sie sich bewegen. Das kann ich ihnen versichern.« Er kritisiert die Einstellungspolitik: »Meine Kollegen haben den Vortest der Akademie durchgeführt, der nicht ganz so einfach ist. Manche Bewerber machen den zwischen 23 und 24 Uhr. Wenn sie da durchfallen, können sie sich nicht noch mal bewerben.«
Innensenator Geisel erklärt: »Wir sind jetzt schon dabei, die Polizeiakademie weiter zu reformieren. Wir werden nicht auf den Abschlussbericht warten können und sind jetzt schon dabei. Das geschieht auch in Zusammenarbeit mit Herrn Strobl.«
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