Vasallentreue zur Macht

Hessen: Sieben Monate vor der Landtagswahl keilen die mitregierenden Grünen nach links

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Sieben Monate vor der hessischen Landtagswahl setzt Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf eine weitere Amtszeit. Gleichzeitig dämpfen nicht nur Meinungsumfragen jegliche Hoffnung auf eine rot-rot-grüne Ära.

2013 hatte Bouffier kurzzeitig befürchten müssen, von einer Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei aus dem Amt verdrängt zu werden. Doch dann näherte sich die einstige Ökopartei der CDU an und gab sich als harte Verfechterin von Schuldenbremse und Haushaltskürzungen. Heute präsentiert der früher als Hardliner auftretende Bouffier das schwarz-grüne Modell als Vorzeigeprojekt für den Bund. Im Unterschied zu Hessen fanden schwarz-grüne beziehungsweise »Jamaika«-Bündnisse in Hamburg und im Saarland ein vorzeitiges Ende.

Ab den 1980er Jahren galt Hessen zunächst als Mutterland für Koalitionen von SPD und Grünen. Hier wurde der spätere Bundesaußenminister Joschka Fischer im Jahr 1985 Landesumweltminister. Beide Parteien galten lange als natürliche Verbündete. Doch davon ist im politischen Wiesbaden nichts mehr zu spüren. Beobachter des Politbetriebs registrieren eine anhaltende Entfremdung zwischen den Akteuren und eine Rhetorik, die jeglicher Spekulation über eine mögliche Absetzbewegung der Grünen von der CDU den Boden entzieht.

So reagierten die erst Grünen dieser Tage hämisch auf den Entwurf eines Wahlprogramms der Hessen-SPD. »Von dem groß angekündigten, aber nie mit Inhalt gefüllten ›Hessenplan‹ ist nur ein stinknormales und reichlich wolkiges Wahlprogramm übrig geblieben«, urteilten die grünen Landeschefs Angela Dorn und Kai Klose über das SPD-Papier, an dem sie »zahllose Versprechungen in Milliardenhöhe« bemängeln. Die Linkspartei wiederum habe sich mit ihrem Programm »von jedem Anspruch verabschiedet, das Land gestalten zu wollen«, so Dorn und Klose dieser Tage in einer vom Geist der Schuldenbremse und der schwarz-grünen Kontinuität inspirierten Erklärung.

Wie angespannt die Atmosphäre zwischen SPD und Grünen ist, zeigen auch Einträge im Kurznachrichtendienst Twitter. So stellte SPD-Mann Timon Gremmels die lediglich rhetorische Frage, wie Hessen im Bundesrat zur Frage der »Ehe für alle« abgestimmt habe. »Deine Frage zeigt: keinerlei Ahnung - aber reichlich Verleumdungseifer«, antwortete der Grünen-Abgeordnete Frank Kaufmann. (Auch Hessen hatte sich nicht gegen das entsprechende Gesetz gestellt.)

Wenig später bemängelte Gremmels, dass Landesverkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) ohne Helm vor laufenden Kameras ein Lastenfahrrad getestet habe und »leider auch als Verkehrsminister kein Vorbild« sei. Auf die Entgegnung eines Grünen-Aktivisten reagierte Gremmels dann mit den Worten: »Oh nein, ich habe es gewagt den Minister zu kritisieren. Die Grünen können einfach nicht mit berechtigter Kritik umgehen.« Und SPD-Sprecher Christoph Gehring meinte kürzlich über den grünen Fraktionschef: »Matthias Wagner steht im Landtag schon wieder mit Schaum vorm Mund am Rednerpult. Man reiche ihm ein Taschentuch.«

Die offensichtliche Vasallentreue der Grünen zur CDU drückt sich jetzt auch in der Frage eines neuen Vergabegesetzes aus. Von der früheren Absicht, das gültige Gesetz noch vor der Wahl zu »evaluieren«, ist das CDU-geführte Landessozialministerium kurzerhand abgerückt. Am Mittwoch liegt dem Landtag in Wiesbaden ein Antrag der Linksfraktion vor, mit dem ein neues Gesetz mit Festlegungen zu Tariftreue, sozialen und ökologischen Kriterien sowie zu einem Landesmindestlohn bei öffentlichen Aufträgen gefordert wird. Doch dass die Grünen in dieser Frage den Krach mit der CDU wagen, gilt als ausgeschlossen.

Allerdings: Sollten sich derzeitigen Umfragezahlen stabilisieren und die AfD in den Landtag einziehen, so könnte Bouffier angesichts schwieriger Mehrheitsverhältnisse notfalls auch auf die SPD setzen. Die will im einstigen »roten Hessen« nach bald 20 Jahren auf den harten Oppositionsbänken unbedingt in Regierungsämter zurückkehren.

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