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Der Beste ist arbeitslos

Hannes Wolf ist Trainer des Jahres im deutschen Fußball. Das Vertrauen seines Vereins verlor er trotzdem

  • Frank Hellmann, Neu-Isenburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Hannes Wolf saß am Montagabend mit offenem Mund neben seiner Gattin am fein gedeckten Tisch, als die Videobotschaft seines Mentors über die Leinwand des Festsaales im noblen Kempinski Hotel von Neu-Isenburg flimmerte. Jürgen Klopp hatte es sich nicht nehmen lassen, anlässlich der Auszeichnung seines früheren Dortmunder Mitstreiters zum »Trainer des Jahres 2017« eine Videobotschaft aus England zu übermitteln. »Ich habe mich damals schockverliebt - nicht in den Mann, sondern in den Trainer«, erzählte da also der einstige Meistermacher der Borussia. Klopp erinnerte an die erste Begegnung zwischen ihm und einem jungen Spielertrainer Wolf, der im Amateurbereich mit dem ASC 09 Dortmund aufgefallen war. Überzeugungstäter traf auf Menschenfänger.

»Ich finde das eine überragende Entscheidung in einer Welt, in der Trainer nur nach dem letzten Ergebnis bewertet werden«, bewertete die Kultfigur den Ritterschlag für seinen einstigen Zögling auf der Trainergala des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) euphorisch. Es gehört wohl zu den Gegensätzen des Geschäfts, dass der 50-jährige Klopp mit dem FC Liverpool gerade auf einer Erfolgswelle reitet, während der 36-jährige Wolf nach anderthalb Jahren beim VfB Stuttgart Ende Januar vom Karussell gepurzelt war. Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel wusste, dass die Jury mit der Ehrung eines Arbeitslosen eine eher »untypische Entscheidung« getroffen hatte. Aber warum nur immer die belohnen, die sich ohnehin im Rampenlicht sonnen?

In acht schlechten Wochen, erklärte Wolf, habe er »die ganze Wucht« gespürt, die ihn letztlich in die Aufgabe zwang. In der Rückschau wüsste er »schon ein paar Sachen, die ich hätte besser machen können«, so habe er aber »auch mal die Schattenseiten kennengelernt.« Wichtig schien ihm aber noch eine Anmerkung in Richtung seines unerwartet erfolgreichen Nachfolgers. »Ich habe den Verein auf einem vernünftigen Platz übergeben. Dass Tayfun (Korkut, Anm. d. Red.) jetzt jedes Spiel gewinnt, ist gut.« Deswegen sei er selbst gewiss kein Fußballlehrer, der sein Handwerk nicht beherrscht, wollte Wolf damit wohl ausdrücken. Immerhin hatte er zwei Dortmunder Jugendmannschaften zu insgesamt drei Deutschen Meisterschaften und Stuttgart zum Aufstieg geführt.

Der gebürtige Bochumer dürfte sich nach dem Preisgewinn in seinem Entschluss bestärkt sehen, dass er weiter in dem für ihn so faszinierenden Sport mitwirken will. »Ich möchte diese Energie nicht missen, Verantwortung für junge Menschen zu tragen. Es geht zurück auf die Trainerbank«, erklärte einer, der seine Berufswahl offenbar zu keiner Sekunde bereut. Neben erster und zweiter Liga führt Wolf auch den Juniorenbereich gedanklich im Portfolio.

Vermutlich keine schlechte Idee. Schließlich gibt der Prototyp der neuen Generation ein Lehrbeispiel dafür ab, wie gnadenlos der Verdrängungswettbewerb in der Bundesliga geworden ist. Die gesamte Branche, stellte der mit dem Ehrenpreis bedachte Erich Rutemöller nachdenklich fest, sei schneller, hinterhältiger und gemeiner geworden. Und auch Klopp gab zu bedenken: »Es klingt so, als wäre es für die jungen Trainer ein reines Geschenk, dass sie auf den Markt losgelassen werden. Aber: Im Gegensatz zu früher, als ein Jupp Heynckes, Felix Magath oder Udo Lattek scheitern durften, um bald wieder einen Job zu bekommen, sieht es heute so aus, als müssten die Jungs vom ersten Tag an funktionieren.«

An Misserfolgen sei schließlich nicht immer der junge Trainer schuld. Daher wollte Klopp zu der von Mehmet Scholl markig vorgetragenen Kritik an den sogenannten Laptop-Trainern noch etwas loswerden. Denn die gebe es überhaupt nicht: »Es gibt nur Trainer, die einen Laptop nutzen können und andere, die ihn nicht nutzen können.«

Der scheidende Ausbilder der DFB-Trainerakademie, Frank Wormuth, gab seinen letzten Absolventen dennoch den Rat mit auf den Weg, dass sich auch die junge Trainergeneration hin und wieder hinterfragen solle. Man müsse nicht immer gleich von der Champions League träumen. Von den 25 neuen Lizenzlehrern, die nach 40 Wochen Ausbildung ihr Diplom überreicht bekamen, scheint der Primus jedenfalls schon auf einem guten Weg. Robert Klauß, aktuell verantwortlich für die U19 von RB Leipzig folgt Domenico Tedesco (2016) und Florian Kohfeldt (2015), die beide bereits in der Bundesliga angekommen sind. Der 33 Jahre junge Musterschüler stellte aber vorsichtshalber sofort klar, dass es nicht seine Ambition sei, nun auf die Schnelle Ralph Hasenhüttl zu beerben.

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