Neuer BER-Untersuchungsausschuss wäre nur PR statt Aufklärung

Gastkommentar: Benedict Ugarte Chacón über Spiele der Opposition

  • Benedict Ugarte Chacón
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Donnerstag behandelt das Abgeordnetenhaus einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur abermaligen Behandlung von Verschiebungen, Verantwortlichkeiten und Kostensteigerungen beim Bau des Flughafens Berlin Brandenburg (BER). Antragsteller sind die Fraktionen von CDU und FDP. Es ist keine Besonderheit, dass Oppositionsfraktionen mit einem Untersuchungsausschuss versuchen, einen politischen Skandal am Köcheln zu halten und eine Regierung in Bedrängnis zu bringen. Allein: Hier fehlt ein Skandal. Dass der BER 2020 ans Netz gehen soll, ist seit Monaten klar. Dass eine abermalige Verschiebung womöglich mehr Geld kostet, auch. Von 2012 bis 2016 hatte zudem schon einmal ein Untersuchungsausschuss zu eben jenem Thema getagt. Dem Vernehmen nach ging die Initiative für den neuen Ausschuss von der FDP aus. Deren Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja trat entsprechend lautsprecherisch auf. Die CDU-Fraktion, deren stellvertretender Vorsitzender Stefan Evers Obmann seiner Fraktion im letzten BER-Untersuchungsausschuss war, ließ sich scheinbar nur widerwillig auf Czajas Coup ein und hielt sich offenbar aus der Facharbeit heraus. Anders ist nicht zu erklären, dass trotz des Sachverstands der CDU-Fraktion ein Einsetzungsantrag herausgekommen ist, der einfachsten Gepflogenheiten nicht genügt und offensichtlich mit sehr heißer Nadel zusammengestrickt wurde.

Schon die Themenwahl des Fragenkatalogs ist sonderbar: So wurde zum Beispiel der Kündigungsprozess des ehemaligen Flughafenchefs Rainer Schwarz bereits im letzten Untersuchungsausschuss behandelt. Die ausführlichen Gerichtsakten hierzu lagen dem Gremium vor. Die Verfasser des aktuellen Einsetzungsantrags haben offensichtlich versäumt, dessen Abschlussbericht eingehender zu lesen. Gut, 1200 Seiten sind selbst für Czajas Leute kein Pappenstiel, da übersieht man schonmal was. Doch bei aller Nachsicht für die Parlamentsneulinge muss doch darauf hingewiesen werden, dass ein Blick in einschlägige Rechtsliteratur nicht geschadet hätte. Man wäre so schnell darauf gestoßen, dass ein Untersuchungsausschuss nur die Vergangenheit untersuchen darf. Voraussagen über Änderungen an der technischen Gebäudeausstattung des BER, die »in der Zukunft voraussichtlich noch vorgenommen werden« müssen - auch dies eine Frage von CDU und FDP - sind einem Untersuchungsausschuss nicht erlaubt. Die Frage nach dem Inhalt des Masterplans 2040 der Flughafengesellschaft hätte sich wohl mit einem Blick in deren Internetangebot erübrigt, wo dieser veröffentlicht ist. Auch dieser Umstand ist der »digital first«-Fraktion wohl entgangen. Auf immerhin drei Seiten sind im Antrag Fragen zu Personal- und Aufsichtsratsangelegenheiten aufgelistet. Doch wer hier das große öffentliche Tribunal erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Es ist davon auszugehen, dass solche Themen nur in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt werden können und die Akten hierzu als vertraulich eingestuft werden.

Unfreiwillig amüsant verhält es sich mit dem Teil G des Einsetzungsantrags. Mit ihm soll der Senat aufgefordert werden, dem Parlament bis Ende Mai einen »schriftlichen Bericht über die dort vorliegenden Erkenntnisse zu den vorbezeichneten Untersuchungsgegenständen« vorzulegen. Die Regierung, deren Handeln durch den Ausschuss untersucht werden wird, soll also dem Parlament einen Ausschussbericht vorformulieren. Wohlwollend betrachtet handelt es sich hier um eine recht kindliche Vorstellung von Gewaltenteilung. Weniger wohlwollend könnte man sagen, dass der schlampige Antrag gar keine Aufklärung im Sinn hat, sondern nur als Vehikel für die schrille PR von Czaja und Co. dienen soll. Und damit würde sich zeigen, dass so, wie die FDP im Zusammenhang mit dem Tegel-Volksentscheid das wichtige Instrument der direkten Demokratie für ihre Parteipolitik missbrauchte, sie nun einen Untersuchungsausschuss zur Profilierung ihres politisch zu kurz geratenen Personals zu nutzen sucht.

Der Autor arbeitete seit 2012 für die Piraten und die LINKE als Referent in drei Untersuchungsausschüssen auf Bundes- und Landesebene.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.