Der Berg stinkt - Käse aus der Höhle

Die Rückbesinnung auf alte Molkerei-Traditionen zeigt einen geschärften Sinn für Nachhaltigkeit, sagen die Fachleute

  • Georg Etscheit, Niederndorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Als die Bauarbeiten noch voll im Gange waren, sah es so aus, als würde hier ein Teilstück des Brennerbasistunnels in den Fels gesprengt. Doch in Wahrheit ging es in dem kleinen Ort Niederndorf-Sebi an der deutsch-österreichischen Grenze bei Kufstein, nur um einen gigantischen Lagerkeller für ein recht profanes Produkt: Käse.

»Im Januar 2015 haben wir mit dem Bau angefangen«, erinnert sich Reinhard Brunner, Käsemeister der Tiroler Biomolkerei Plangger. »Eine Spezialfirma hat 20 Tonnen Dynamit gebraucht, um 60 000 Tonnen Gestein aus dem Berg zu sprengen.« Und dies alles, damit der Käse im Naturklima im Inneren des Berges ein ganz besonderes Aroma bekommt.

Immer mehr Käsereien suchen sich alte Bunker, Stollen oder Naturhöhlen, um ihre kostbaren Laibe reifen zu lassen. In Deutschland gibt es etwa den »Atta-Käse« aus der gleichnamigen Höhle bei Attendorn im Sauerland, »Deutschlands größter Tropfsteinhöhle«. Anderorts werden gleich ganze Festungen zu Käselagern umgebaut. So im französischen Jura, wo im Fort de Rousses an der französisch-schweizerischen Grenze bis zu 150 000 goldgelbe Comté-Laibe ihrer Vollendung entgegenreifen.

Bei der Biomolkerei Plangger liegen heute Tausende Käselaibe in dem gigantischen Gewölbe, ordentlich in Regalen übereinander geschichtet. Die Touristen, die sommers wie winters hier vorbeikommen, staunen angesichts der Ausmaße des Reifekellers, den sie aus hygienischen Gründen aber nur durch eine Glasscheibe betrachten können. »Hier ist Platz für 600 Tonnen Käse in neun verschiedenen Sorten«, sagt Brunner. Das entspricht bei voller Auslastung etwa 50 000 Käselaiben.

Natürlich habe der Höhlentrend auch einen Marketingaspekt, sagt Frank Schneider, Käseeinkäufer beim Münchner Feinkosthändler Dallmayr. Doch: »Wenn das Ausgangsmaterial schlecht ist, bringt auch die Höhle nichts.« Zunächst komme es nämlich auf die Qualität der Milch und auf das Können des Käsemeisters und Affineurs (Spezialist für die Käsepflege während der Reifezeit) an. Schneider begrüßt die Rückbesinnung auf alte Traditionen der Käseherstellung, weil sie für ein neues Qualitätsbewusstsein stehe, einen geschärften Sinn für Nachhaltigkeit - und die Käsevielfalt bereichere.

Höhlenkäse beziehungsweise »höhlengereifter« Käse liegt schwer im Trend, wie auch Wilfried Karrer bestätigt. Er ist Produktionsleiter des »Käsebergwerks« der Firma Almenland Stollenkäse im steirischen Passial nicht weit von Graz. Der »Franz-Leopold-Stollen«, den man 2009 neben einem früheren Silberbergwerk in die Jahrmillionen alte Gesteinsmischung aus Grünschiefer, Quarzit und Feldspat schlug, ist nicht weniger beeindruckend als sein Pendant in Tirol.

Für jede Käsesorte gibt es hier ein eigenes, unterirdisches Abteil: für Schnittkäse, Weichkäse und Hartkäse mit der in Rotwein gebadeten Premiummarke »Erzherzog Johann« oder dem »Capellaro«, einem »zartmilchigem Ziegenweichkäse mit feinsandiger Rinde«, wie ein österreichisches Gourmetmagazin schrieb.

Die Temperatur liegt tief im Berg bei konstant elf Grad, die Luftfeuchtigkeit erreicht 97 Prozent. »Das lässt sich künstlich einfach nicht machen«, sagt Karrer. Seit die Biowelle immer höher schwappt und immer mehr Kunden nach besonderen Käsesorten Ausschau halten, besinnen sich die Käsereien auf die alten Traditionen. Dass das Konzept aufzugehen scheint, zeigen die langen Warteschlangen von Touristen, die sich vor allem in Ferienzeiten bei Plangger an der Käsetheke die Beine in den Bauch stehen.

Das weltweit wohl bekannteste Beispiel eines Höhlenkäses ist der französische Roquefort. Echter Roquefort muss in den Kalkhöhlen des Bergmassivs Combalou bei Roquefort-sur-Soulzon lagern, bevor er das begehrte AOP-Siegel bekommen darf. Auch der spanische Cabrales, ein halbfester Blauschimmelkäse, erhält sein Aroma durch einen längeren Aufenthalt unter Tage. Relativ neu dagegen ist der Schweizer Höhlen-Emmentaler, den die Firma Emmi in der zweiten Hälfte der Nullerjahre erfolgreich unter dem Markennamen Kaltbach als Marke platzieren konnte. Er reift in Sandsteinhöhlen im Schweizer Mittelland nicht weit von Luzern und kostet deutlich mehr als die normalen Qualitäten. dpa/nd

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