Verschlüsselung für Österreich
Berliner Künstlergruppe »Peng« richtet für Bürger und Abgeordnete eine geheime E-Mail-Kommunikation ein
Die Berliner Künstlergruppe »Peng« hat für jeden österreichischen Parlamentarier des National- und Bundesrats ungefragt eine E-Mail-Verschlüsselung eingerichtet. »Nach all den Skandalen der FPÖ und des [Geheimdienstes] BVT, nach all den Versuchen, die Demokratie in Grund und Boden zu stampfen, nachdem gar die deutschen Geheimdienste anmelden, dass sie gerade unsicher sind, ob man noch kooperieren kann, sind wir gekommen um zu helfen«, teilte das Kollektiv am Dienstag in einer Mitteilung mit.
Der für eine Geheimhaltung der Mailkommunikation notwendige »PGP-Schlüssel« besteht aus zwei Teilen, einem privaten und einem öffentlichen Text-Code. Die Künstlergruppe »Peng« hinterlegte die jeweiligen öffentlichen Teile gemeinsam mit den dazugehörigen Mailadressen der Politiker auf der Webseite gvkeys.at. Jeder Bürger kann nun mit diesen Informationen den Abgeordneten seiner Wahl auf diskrete Art und Weise kontaktieren, sofern er selbst PGP auf seinem Computer eingerichtet hat.
Um die geheimen Mails lesen zu können, benötigen die Abgeordneten jedoch noch den privaten Teil der Schlüssel. »Gegen Vorlage ihres Personalausweises können die Politiker ihn vom 4. bis 6. April täglich zu Behördenzeiten der neu gegründeten Dezernatsabteilung für E-Mail-Verschlüsselungsangelegenheiten abholen«, erklärte die Künstlergruppe. Die »Abteilung« sei im Wiener Museumsquartier beheimatet - dort ist unter anderem derzeit auch das »Peng«-Mitglied Jean Peters als Künstlerin untergebracht.
Das Kollektiv empfiehlt den Parlamentariern nach Abholung ihres privaten Schlüssels mit diesem einen neuen zu erstellen. Nur so könnten sie - etwa wie bei einer Passwortänderung - sichergehen, dass nur sie über den einzigen Entschlüsselungscode verfügen. Eine Anleitung dazu befinde sich auf der genannten Webseite.
»Peng« spielt mit der Aktion zum einen auf ein von der rechten FPÖ-ÖVP-Regierung geplantes Überwachungspaket an, dass noch im April beschlossen werden soll. Mehr als fünf Millionen Menschen würden damit unter »Generalverdacht« gestellt, warnte etwa Rupert Wolff von dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gegenüber Medien.
Zum anderen kritisiert die Künstlergruppe damit die Razzia Ende Februar bei dem österreichischen Geheimdienst BVT - geleitet von dem laut Medienberichten explizit rechtsradikalen FPÖ-Funktionär Wolfgang Preiszler. Christian Kern, Chef der Sozialdemokraten, warnte jüngst bei einer Parlamentssitzung vor einem »Signal, dass Polizisten eingeschüchtert werden, die gegen Rechtsextremismus vorgehen.«
Für »Peng«-Aktivist Achim von Ribbeck betreffe die Einschüchterung auch Politiker: »Einige Parlamentarier haben sich schon besorgt geäußert, da sie sich fragen, ob und wann Wolfgang Preiszler mit seiner Einsatztruppe bei ihnen vor der Tür steht, um ihre privaten Festplatten abzuholen.« Mit Blick auf diese Entwicklungen könne die Einrichtung einer PGP-Verschlüsselung dabei helfen, Österreich »sicherer« zu machen - und würde nur fünf Minuten dauern.
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