Real will Löhne drücken

Einzelhandelskette plant Ausstieg aus Flächentarifvertrag mit ver.di

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Real will nicht mehr mit ver.di verhandeln. Olaf Koch, Chef des Metro-Konzerns, zu dem der Einzelhändler gehört, hatte dieser Tage den Austritt von Real aus dem Unternehmerverband Handelsverband Deutschland (HDE) und damit aus dem Tarifvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di angekündigt. Real strebe nun eine neue «Tarifpartnerschaft» mit der «Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe» (AHD) an. Diese Dachorganisation ist bereits mit anderen Metro-Töchtern «im Geschäft» und schließt Tarifverträge vorzugsweise mit dem Verband «DHV - Die Berufsgewerkschaft» ab. Dieser ist wiederum Teil des «Christlichen Gewerkschaftsbunds» (CGB) ist und wirbt mit dem Slogan «125 Jahre - immer auf Seiten der Arbeitnehmer».

Es ist eine zwielichtige Tarifpartnerschaft, die Real damit eingeht. Bei näherer Betrachtung steht das Kürzel der DHV für den Begriff «Deutschnationaler Handelsgehilfenverband». Zwischen den beiden Weltkriegen stand der DHV Alfred Hugenbergs Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) nahe, sah sich als Teil der völkischen Bewegung, lehnte die Aufnahme von Juden als Mitglieder ab und arrangierte sich zunehmend mit der Hitlerpartei NSDAP. Viele DGB-Gewerkschafter betrachten diese Organisation wie auch andere im CGB angesiedelte Verbände als unternehmernahe und «gelbe» Gewerkschaften«. Sie werfen ihnen vor, Gefälligkeits-Tarifverträge im Interesse der Unternehmerverbände abzuschließen und dabei die Interessen der Angestellten mit Füßen zu treten.

Metro-Chef Koch begründete die Tarifflucht damit, dass ver.di bei den jüngsten Tarifverhandlungen eine »offenkundige Blockadesituation« an den Tag gelegt und sich geweigert habe, mit »wettbewerbsfähigen Personalkosten« eine »Sanierung« der Einzehandelskette Real zu gewährleisten, die vergangenes Jahr einen Umsatz von über 7,2 Milliarden Euro machte. Tatsächlich hatte ver.di jedoch 2016 in einem »Zukunftstarifvertrag« für die rund 34 000 Real-Beschäftigten große Zugeständnisse gemacht und Lohneinbußen akzeptiert. Als Gegenleistung verpflichtete sich Metro zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, Bestandsgarantien für die meisten Real-Märkte und Modernisierungsinvestitionen in Milliardenhöhe. Nach jahrelangem Lohnverzicht sollten die anhaltenden Lohnopfer ab 2019 zurückgefahren und die Beschäftigten wieder schrittweise nach dem Flächentarif für die Branche entlohnt werden.

Doch davon will das Koch-Management nun nichts mehr wissen. So kritisieren ver.di-Aktivisten, dass die Unternehmensleitung die Lohnopfer keinesfalls genutzt habe, um die tarifvertraglich vereinbarten Investitionen für eine spürbare Erneuerung aller Filialen vorzunehmen und damit deren Wettbewerbssituation zu verbessern. »Die Mehrzahl der Real-Märkte tritt weiterhin auf der Stelle, so dass die Geschäftsführung hinsichtlich ihrer Zusagen immer weiter an Glaubwürdigkeit verliert«, heißt es in einem ver.di-Mitgliederinfo. Probleme und damit die Gefährdung vieler Arbeitsplätze seien nicht durch ver.di oder die Beschäftigten verursacht, sondern »ebenso hausgemacht wie die gesamte miserable Lage« des Selbstbedienungswarenhauses, so das gewerkschaftliche Info. Die Beschäftigten hätten in den vergangenen Jahren »auf erhebliche Summen verzichtet, um Real eine Chance zu geben, sich zu erholen«, stellte selbst das unternehmernahe Branchenblatt »Lebensmittel Zeitung« in seiner Ausgabe vom 12. Januar 2018 fest. »Jetzt ist die Zeit verstrichen und die Perspektiven am Markt sind nicht sichtbar besser geworden.«

»Offenbar ist den Verantwortlichen im Metro-Konzern ein tariflich garantierter Schutz der 34 000 Beschäftigten bei Real völlig egal«, kritisiert das für den Einzelhandel zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. »Wir stellen uns auf eine harte Auseinandersetzung in diesem Generalkonflikt ein. Zusammen mit den Beschäftigten werden wir uns weiter für die Tarifbindung bei Real einsetzen - mit Löhnen, Gehältern und Arbeitsbedingungen, die zum Leben reichen«, so die Gewerkschafterin.

Die ver.di-Tarifkommission lehnt Kochs Ansinnen ab, die Gehälter bei Real dauerhaft um bis zu 40 Prozent zu senken. »Armutstarife sind mit uns nicht zu machen«, so Nutzenberger. Schon jetzt seien die Verdienste zu knapp für ein auskömmliches Leben im Alter. So komme eine nach Tarif bezahlte Verkäuferin nach 45 Jahren Vollzeit bestenfalls auf 1200 Euro Altersrente im Monat. Viele Teilzeitbeschäftigte und Minijobber hätten im Alter viel weniger zu erwarten. »Das noch abzusenken, während die Managergehälter stetig erhöht werden, hat mit seriöser Unternehmensführung nichts zu tun«, erklärte Nutzenberger. Auch ihr Angebot, den laufenden »Zukunftstarifvertrag« mit den Lohnopfern zu verlängern, »um mehr Zeit für eine Lösung zu gewinnen«, lehnt Koch ab. Er will offenbar aufs Ganze gehen.

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