Geld aus Russland ist in Riga unerwünscht
Lettlands Bankenwelt wird derzeit von einem Geldwäscheskandal erschüttert
Kaum ein anderes Thema beschäftigt die lettische Öffentlichkeit in letzter Zeit so sehr wie die Banken und ihre Skandale. Es kursieren Schlagwörter wie »ausländische Einlagen«, »Geldwäsche« oder »Korruption«. Tatsächlich geht es aber auch um mehr: die Entscheidung, ob sich das Land politisch und ökonomisch am Osten oder Westen orientieren will. Anders formuliert: Will es die Interessen seiner Banken oder die der US-Finanzbehörden schützen? Denn beides zugleich hat sich offenbar als unmöglich erwiesen.
Der Skandal ging los, als Lettlands Zentralbankchef Ilmars Rimsevics von der Anti-Korruptionsbehörde des Landes wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit vorübergehen festgenommen wurde. Zum gleichen Zeitpunkt geriet die drittgrößte lettische Bank ABLV in eine Krise. Die Bank hatte ursprünglich keine finanzielles, sondern ein Reputationsproblem, nachdem die USA der Bank vorgeworfen hatten, in Geldwäschegeschäfte von Kunden aus Russland und der Ukraine verwickelt zu sein. Obwohl die ABLV die Anschuldigungen zurückwies, wurde sie vom Zugang zum US-Finanzsystem abgeschnitten. Jetzt wird die Bank abgewickelt.
Dennoch ist die Geschichte noch nicht zum Ende. Das Ziel Lettlands sei jetzt, das Volumen der ausländischen Einlagen im Allgemeinen deutlich zu reduzieren, kündigte die lettische Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola an: »Unser Ziel ist, dass wir in unseren Banken künftig nur Kunden haben, von denen wir klar wissen, was der Bär im Bauch hat. Wo das Geld her kommt und wo es hinfließt.« Ihre Position wurde gleich nach einem Riga-Besuch des stellvertretenden Staatssekretär im US-Finanzministerium, Marshall Billingslea, so streng. Was konkret bei diesem Gespräch geredet und ob und womit gedroht wurde, ist unklar.
Schon ein Vierteljahrhundert lang ist die Bedienung ausländischer Kunden ein Kerngeschäft lettischer Banken gewesen. Die Reichen aus Russland, der Ukraine, Weißrussland und Zentralasien fühlen sich in Lettlands Hauptstadt Riga wie im Paradies, da die Bedingungen kaum anderswo lockender sind. Zum einen ist man dort im »sicheren Europa«. Der Staat ist Mitglied der EU und seit einigen Jahren auch in der Eurozone. Zum anderen ist man dort dennoch zu Hause bei alten Kumpels. Mann kennt die Mentalität und kann die Kunden im perfekten Russisch beraten.
Noch vor drei Jahren floss rund ein Prozent des weltweiten Volumens an Dollar-Transaktionen durch die lettischen Banken. Dies ist viel für ein Land mit nur 1,9 Millionen Einwohnern. Schon seit Jahren erhält Lettland deswegen Warnungen von US-Finanzbehörden, dass es nicht in der Lage sei einen so großen Geldfluss zu kontrollieren. Man habe allerdings entsprechend reagiert, behaupteten bisher sowohl die lettische Bankenaufsicht als auch die Banken selbst. So wurden neue Kontrollsysteme eingeführt, und auch das Gesamtvolumen der ausländischen Einlagen sank bisher schon kontinuierlich. Doch war dies den USA anscheinend nicht genug. Dennoch kommt der Skandal Lettland teuer zu stehen. Die lettische Finanzministerin Ozola sprach von »mehreren Milliarden Euro, die aus unserem Banksystem fließen werden«. Dies bedeutet, dass dem Staat Millionen Euro verloren gehen, die dank der Finanzgeschäfte mit ausländischen Kunden bisher in Form von Steuergeldern die Staatskasse füllten.
Vor kurzem ist auch im benachbarten Estland ein ähnliches Szenario eingetreten. Dort hat die Europäische Zentralbank der estnischen Versobank nach Verstößen gegen Geldwäsche-Gesetze die Lizenz entzogen. Dabei ist die Versobank ein sehr kleines Geldhaus mit Kontoeinlagen im Volumen nur von 253 Millionen Euro. Auch der dortige Leiter der Finanzaufsichtbehörde Kilvar Kessler erklärte sich bereit, künftig hart gegen jedem Vorstoß des Geldwäschegesetzes vorzugehen.
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