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Die Deutsche Bank kommt nicht zur Ruhe

Christian Sewing soll nach dem Willen von Chefkontrolleur Paul Achleitner künftig das Geldhaus leiten

  • Fabian Lambeck und Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Es scheint so, als ob sich Paul Achleitner noch mal durchsetzen konnte. Medienberichten von Sonntag zufolge soll der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank einen Nachfolger für John Cryan gefunden haben. Christian Sewing soll den 57-jährigen Briten als Vorstandsvorsitzenden ablösen. Bereits am Samstagabend vermeldete die Bank, dass der Aufsichtsrat am Sonntag über die Personalie beraten wollte. »Es ist vorgesehen, noch am selben Tag eine Entscheidung in diesem Zusammenhang zu treffen«, hieß es. Zum Redaktionsschluss lag zwar noch keine Entscheidung des obersten Kontrollgremiums vor.

Doch gilt Sewing als neuer Chef nun als gesetzt. Der Aufsichtsratschef liebäugelte schon länger mit einer Ablösung des glücklosen Cryan an der Spitze des größten deutschen Geldinstituts. Doch vor Ostern hagelte es Absagen möglicher Kandidaten. Wie die britische »Times« meldete, habe der Österreicher Achleitner, der lange für die US-Investmentbank Goldman Sachs tätig war, beim Europachef der Bank, Richard Gnodde, angefragt. Gnodde hat jedoch kein Interesse. Auch bei den Chefs der italienischen Großbank Unicredit und des britischen Finanzhauses Standard Chartered, Jean Pierre Mustier und Bill Winters, soll Achleitner vorgefühlt haben.

Zumal John Cryan durchaus auch Freunde im Haus und unter den Investoren hatte. So soll der US-amerikanische Großinvestor Black Rock hinter dem Vorstandschef gestanden haben, wie der Nachrichtensender »n-tv« jüngst kolportierte. Auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat seien von der Notwendigkeit seiner Ablösung nicht überzeugt, hieß es zunächst. Cryan kam als Sanierer und wurde ohnehin nur als Übergangskandidat gesehen, der die kriselnde Bank wieder in ruhigere, gewinnträchtigere Fahrwasser leiten sollte.

Doch die Bank kommt nicht aus der Verlustzone, der Aktienkurs sinkt weiter. Einige Aktionäre warnten jedoch vor einem verfrühten Rückzug des Briten. Gegenüber der Zeitung »Die Welt« forderte etwa Fondsmanager Ingo Speich von Unioninvestment vor kurzem, dass Cryan weiterhin das Institut führen sollte. »Ein Wechsel an der Spitze würde den Umbau zurückwerfen«, zitierte die Zeitung den Banker. Zumal Cryan selbst erklärt hatte, seinen bis 2020 laufenden Vertrag erfüllen zu wollen.

Mit der nun gefundenen Lösung kommt sein Nachfolger aus den eigenen Reihen. Der 47-jährige Sewing kam als Bankkauflehrling 1989 zur Deutschen Bank, danach folgte ein berufsbegleitendes Studium. Bis auf zwei Jahre bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank verbrachte er sein gesamtes Berufsleben bei Deutschlands größtem Finanzinstitut. Seit Anfang 2015 sitzt Sewing im Vorstand.

Durch seine Suche nach einem Nachfolger Cryans geriet Achleitner selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. Er gilt mittlerweile als Teil des Problems. Schließlich sitzt der 61-Jährige bereits seit 2012 dem Aufsichtsrat vor und hatte Cryan 2013 selbst in das Gremium geholt, von wo aus er später in die Vorstandsetage wechselte. Achleitners Amtszeit endet offiziell erst 2022, doch das »Handelsblatt« fordert bereits jetzt »eine Alternative zu Paul Achleitner«. Viele Kritiker stören sich an seiner Personalpolitik. Der Chefredakteur der »Börsen-Zeitung«, Claus Döring, beklagt, dass sich Achleitner »mit Buddies aus der Finanzwelt« umgebe, »denen weder die deutsche Corporate Governance noch die europäische Bankenregulierung vertraut sind, geschweige denn der hiesige Markt«. Die deutsche Industrie brauche die Deutsche Bank nicht mehr, so Dörings Fazit.

Nicht nur Döring stört sich daran, dass mit John Thain ein Ex-Chef der US-Investmentbank Merrill Lynch einen Posten im Aufsichtsrat erhalten soll. Schließlich steht Thain für die Gier und Selbstbedienungsmentalität der Investmentbanker. So musste der US-Amerikaner seinen Posten bei der Investmentbank räumen, »als Vorwürfe über überhöhte Ausgaben und vorgezogene milliardenschwere Boni bekannt wurden«, wie das »Manager Magazin« schreibt. Die Boni soll Thain seinen Managern »unmittelbar vor der Notfusion mit der Bank of America« genehmigt haben.

Zudem wird bemängelt, dass Achleitner drei weitere amerikanische Kontrolleure ins Gremium holen wolle. »Womit es dann sechs von zehn wären«, wie die »Börsen-Zeitung« unterstreicht. die »FAZ« titelte gar: »Die Deutsche Bank kappt die Bande zur deutschen Wirtschaft.« Der einzige Wirtschaftsvertreter aus dem Heimatmarkt soll künftig Norbert Winkeljohann sein. Der war bislang deutscher Vorstandsprecher der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers. Mögliche Interessenskonflikte scheinen da programmiert. Schließlich lässt sich die Bank regelmäßig von Prüfern durchleuchten. Am 24. Mai sollen Thain und Co. als neue Personalien auf der Hauptversammlung präsentiert werden.

Dass Achleitner nun Sewing als Cryans Nachfolger vorschlägt, ist ein Zugeständnis an seine Kritiker. Der Stellvertreter des Brittens ist für das Privat- und Firmenkundengeschäft inklusive der Postbank verantwortlich. Damit wird dieser Bereich gegenüber dem Investmentbanking gestärkt, das lange Zeit als Aushängeschild der Bank galt und von Achleitner protegiert wurde. Doch läuft es dort seit der Finanzkrise bei weitem nicht mehr rund. Hinzu kommen Skandale um manipulierte Rohstoffpreise und Referenzzinssätze.

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