Soldaten in der Tradition der Ostexpansion

Bündnis »Aufrechte Bürger« kämpft weiter für eine Umbenennung der Kurmark-Kaserne in Storkow

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Ende März unterzeichnete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen neuen Erlass zur Traditionspflege in der Bundeswehr. In der alten Fassung von 1982 hatte es geheißen: »In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht.« In dem neuen Erlass steht: »Die Wehrmacht diente dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und war in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt.«

Die Wehrmacht gehöre nicht in den Traditionskanon der Bundeswehr, erläuterte die Ministerin. Umstritten ist die Benennung von Kasernen nach Wehrmachtsoffizieren. Umstritten ist aber in Storkow (Oder-Spree) auch der Name Kurmark-Kaserne.

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Für Regisseur Thomas Jacob ist das ein klarer Fall von peinlicher Traditionspflege. Vor knapp einem Jahr gründete Jacob deswegen ein Bündnis »Aufrechte Bürger«, um auf die Umbenennung der Kaserne hinzuwirken. Bekannte Schauspieler wie Annekathrin Bürger und Jaecki Schwarz stehen hinter diesem Anliegen. »Wir kämpfen weiter«, versichert Thomas Jacob, auch wenn die Chance im Moment gering scheinen mag, die Umbenennung durchzusetzen. »Wir hoffen, dass wir es schaffen«, betont Jacob.

Was ist falsch an der Bezeichnung Kurmark-Kaserne? Ist die Kurmark nicht einfach nur eine Landschaft? Das zumindest wird den Bürgern von Storkow gern vorgegaukelt. Aber Thomas Jacob und seine Mitstreiter sehen es anders. Sie erinnern an die Panzergrenadierdivision »Kurmark«, im Februar 1945 aufgestellt, um die sowjetischen Truppen noch irgendwie aufzuhalten. Sie verweisen auch auf den Truppenübungsplatz »Kurmark«, im nahen Jamlitz ab Herbst 1943 für die Waffen-SS eingerichtet. Jüdische Häftlinge des KZ-Außenlagers Lieberose wurden bei den Bauarbeiten eingesetzt, Tausende kamen dabei zu Tode. »Bewacht wurden die Häftlinge vom SS-Wachbataillon ›Kurmark‹«, sagt Jacob. In einem offenen Brief an Oberstleutnant Anastasia Biefang, Kommandeurin des in der Kaserne stationierten Führungsunterstützungsbataillons, hat der Regisseur die Argumente der aufrechten Bürger noch einmal dargelegt. »Der Name ›Kurmark‹ ist mehr als besudelt«, schreibt er. »Sehr geehrte Frau Biefang, Sie könnten ein Zeichen setzen, ein Zeichen der Vernunft und des Nachdenkens über die zwölf furchtbarsten Jahre deutscher Geschichte und ein Zeichen für das Umdenken in der Bundeswehr.« Der Brief trägt das Datum 18. Januar 2018. Eine Antwort hat Jacob bis heute nicht erhalten.

Ähnlich erging es dem »nd«, das bereits im Mai 2017 beim Führungsunterstützungsbataillon 381 nachgefragt hatte, welche Beweggründe 1993 dazu führten, die Kaserne so zu nennen, wie sie heute heißt, und welche Art von Traditionspflege in der Kaserne betrieben wird. Ein Stabsfeldwebel teilte lediglich mit, die Anfrage sei »zuständigkeitshalber an die Pressestelle des Landeskommandos Brandenburg in Potsdam abgegeben« worden. Doch von dort erfolgte nie eine Reaktion. Gemeldet hat sich derweil bereits im vergangenen Jahr Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland. Hier hatte Jacob um Hilfe gebeten. Botman teilte mit, beim Zentralrat habe es schon vor Jahren Anlass gegeben, über die Namensgebung nachzudenken - im Zusammenhang mit der NS-Panzergrenadierdivision ›Kurmark‹, aber auch der schwierigen Aufgabe, »Opfer der Kriegshandlungen serbischer Nationalisten durch das Pionierbataillon der Kurmark-Kaserne zu bergen«. Dem Zentralrat erscheine angesichts der europaweiten und sogar weltweiten Tendenzen zur Renationalisierung »ein klares Bekenntnis zur Überwindung bagatellisierender Sichtweisen zur deutschen Geschichte und zum Holocaust« notwendiger denn je, versicherte Botmann.

Aber Verbündete hat Jacob hier dennoch nicht gefunden. Denn der Zentralrat fordert nicht die Umbenennung der Kaserne. Stattdessen findet der Zentralrat lediglich, wenn die Kaserne schon so heißt, dann solle die Bevölkerung mit den Verbrechen der Faschisten konfrontiert werden, dann solle die Sklavenarbeit beim Bau des SS-Truppenübungsplatzes zur Sprache gebracht werden, dann sollten Bundeswehrsoldaten die Open-Air-Ausstellung zum KZ-Außenlager Lieberose besuchen.

Artur Pech, Linksfraktionschef im Kreistag, hat zum Weltfriedenstag am 1. September 2017 die Ansicht widerlegt, der Name Kurmark sei lediglich ein harmlose Landschaftsbezeichnung. Namen wie Altmark, Mittelmark und Neumark zeugen demnach von der deutschen Ostexpansion im Mittelalter, die wahrlich nicht friedlich erfolgt sei. »Darauf beruft sich, wer heute die Kurmark für seine militärische Traditionspflege benutzt«, formulierte Pech. »Aus Storkow werden heute wieder deutsche Soldaten in den Krieg geschickt. Aus Deutschland rollen wieder Panzer an die russische Grenze.« Die Anknüpfung an militaristische Traditionen sei Teil der Rechtfertigung einer solchen Politik. Die LINKE sei solidarisch mit denen, »die sich gegen die Pflege militaristischer Traditionen wenden«.

Die NVA hatte ihrer Kaserne in Storkow den Namen des Kommunisten Ottomar Geschke (1882-1957) gegeben, der mehrere Jahre im KZ saß. Jacob fragt: »Warum musste sein Name gestrichen werden?« Wäre es nicht besser, wenn die Kaserne den Namen eines Antifaschisten trägt?

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