Züchten gegen Wilderei?
Im Kampf gegen das Artensterben schlagen einige Forscher vor, die Nachfrage mit Zuchttieren zu decken
Wie konnte es so weit kommen? Diese schmerzhafte Frage blieb, als Sudan starb. Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt gilt nun als Symbol für die Ausrottung von Tierarten durch die Wilderei. Sudans Unterart war einst in Zentral- und Ostafrika verbreitet - bis die Jagd auf die Hörner die Bestände dramatisch schrumpfen ließ. Mit dem Tod des letzten männlichen Exemplars kann die Unterart heute allenfalls durch modernste Technik vor dem Aussterben bewahrt werden. Um das Problem der Wilderei in den Griff zu bekommen, befürworten einige Experten das Züchten von Nashörnern und anderen durch Wilderei bedrohten Tierarten. Auf diese Weise könnten die begehrten Körperteile legal verkauft, der illegale Handel gebremst werden. Doch das ist hoch umstritten.
Fest steht: Die Wilderei stellt eine der größten Bedrohungen für etliche Tierarten dar. Ob Elfenbein, Tigerhaut oder Nashorn-Horn - die Körperteile von Wildtieren sind etwa als Bestandteil traditioneller Medizin oder als Luxusartikel vor allem in asiatischen Ländern stark gefragt. Die Artenschutzorganisation Traffic schätzt den illegalen Handel mit wild lebenden Tieren auf 7,8 bis zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das lukrative Geschäft hat viele Tierarten an den Rand des Aussterbens gebracht: Die Bestände der Tiger etwa sind weltweit um 97 Prozent geschrumpft, die der Schuppentiere in China und umliegenden Ländern um 94 Prozent und die der Nashörner weltweit um 85 Prozent, wie Zoologin Laura Tensen 2016 im Fachmagazin »Global Ecology and Conservation« berichtete.
Ob das Züchten von bedrohten Tieren auf Farmen eine passende Lösung ist, darüber streiten Tierschützer, Rancher und Wissenschaftler bereits seit Jahren. »Das Züchten von hochwertigen Wildtieren, um das Angebot zu erhöhen, sollte theoretisch den Preis von wilden Spezies reduzieren und somit den Anreiz für Wilderei reduzieren«, schreiben etwa die Wissenschaftler Daniel Challender und Douglas MacMillan in »Conservation Letters«. Mehr Angebot drückt die Preise, was den Wilderern das Geschäft kaputt macht - das ist die Theorie. Das Geld, das durch den legalen Handel mit Produkten von gezüchteten Wildtieren eingenommen wird, kann zudem wiederum in den Tierschutz fließen.
Bei Krokodilen hat das nach Ansicht vieler Wissenschaftler gut geklappt. Die Tiere wurden wegen ihrer Haut gewildert, aus der dann vor allem Luxusartikel wie Handtaschen und Schuhe hergestellt wurden. Die Zahl der Tiere ist daraufhin stark eingebrochen. Das Züchten hat Challender und MacMillan zufolge dazu geführt, dass Krokodile in der freien Wildbahn weniger gewildert wurden. »Dadurch haben sich die wilden Bestände gut erholt«, sagt auch Katharina Trump, Expertin für Wildartenkriminalität bei der Umweltstiftung WWF.
Das Gleiche wollen Züchter auch mit Nashörnern versuchen. Nach Sudans Tod gibt es nur noch zwei weibliche Nördliche Breitmaulnashörner weltweit, aber in Afrika gibt es nach Schätzungen noch etwa 25 000 wild lebende Südliche Breitmaulnashörner und Spitzmaulnashörner. Jährlich werden rund 1000 dieser Tiere wegen ihrer Hörner von Wilderern getötet.
Züchter wie der Südafrikaner John Hume, der 1500 Nashörner besitzt, beschneiden selber die Hörner der Tiere. Das ist, wie das Nägelschneiden bei Menschen, schmerzfrei. Dank der Zucht ist der Anreiz für Wilderer geringer, die Tiere zu töten, und das legale Horn kann die Nachfrage auf dem Markt zumindest teilweise befriedigen, wie Hume meint. Seit vergangenem Jahr dürfen Nashorn-Hörner in Südafrika wieder unter strengen Auflagen verkauft werden. Das Geld können die Züchter in Tierärzte, Sicherheitspersonal und Futter investieren.
Allerdings haben das Züchten von Wildtieren und der Handel ihrer Produkte mehrere Haken. »Es kann aus unserer Sicht niemals genug Nashorn-Horn produziert werden, um die Nachfrage zu decken«, sagt Artenschützerin Trump vom WWF. Das liegt zum Teil daran, dass sich die Tiere nur sehr langsam vermehren und in der Gefangenschaft noch weitere Komplikationen dazukommen. Zudem ist das Züchten von Wildtieren teuer und somit nur selten kosteffizienter als Wilderei, wie Zoologin Tensen ergänzt. Es sei fraglich, ob somit der legale Handel den illegalen ersetzen könne.
Mit einem größeren Angebot ist Trump zufolge auch nicht unbedingt eine niedrigere Nachfrage zu erwarten. Im Gegenteil. »Es kann sein, das die Nachfrage steigt. Denn wir senden ein Signal an Konsumenten, dass es legitim ist, das Horn zu kaufen.« Bei der Zucht von Tigern hat sich dieses Phänomen bereits gezeigt. »Das Problem mit der Tigerzucht ist, dass sie die Nachfrage für Tigerprodukte ankurbelt, was wiederum die Wilderei ankurbelt«, sagte die Tierschützerin Judith Mills dem Onlinemagazine »Yale Environment 360«. Produkte von wilden Tigern werden demnach als hochwertiger empfunden als von gezüchteten Tigern - und somit als wertvoller.
Damit der legale Handel mit Produkten von gezüchteten Tieren tatsächlich klappt und dem Artenschutz nicht mehr Schaden als Nutzen entsteht, muss der Markt auch klar zwischen legalen und illegalen Produkten unterscheiden können - eine große Herausforderung. »Solange man diese molekulargenetisch nicht eindeutig trennen kann, öffnet man dem Missbrauch Tür und Tor«, sagt Heribert Hofer, Direktor des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung.
Noch bringt das Züchten von wild lebenden Tieren nach Ansicht vieler Wissenschaftler zu große Gefahren mit sich. »Für viele Spezies wird das kommerzielle Züchten und ein legaler Handel der gezüchteten Produkte das Gegenteil von dem erzielen, was Wildschützer bewirken wollen«, beschreibt es Zoologin Tenson. dpa/nd
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