Hartz IV: Anstieg bei Sanktionen
Arbeitsminister Heil will Vorschriften überprüfen
Nürnberg. Die Bundesagentur für Arbeit hat im vergangenen Jahr geringfügig mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt als im Vorjahr. Mit knapp 953 000 seien es rund 13 700 Sanktionen mehr gewesen als 2016, teilte die Bundesagentur am Mittwoch in Nürnberg mit. Die Quote, also das Verhältnis der Sanktionen zu allen Leistungsberechtigten, habe sich jedoch nicht verändert. Sie liege bei 3,1 Prozent. »Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Detlef Scheele. Mit 77 Prozent entfällt der größte Teil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse. Im vergangenen Jahr verringerten die Jobcenter deshalb in 733 800 Fällen die Leistungen um zehn Prozent. Für die Weigerung, eine Arbeit oder Maßnahme aufzunehmen, wurden 98 860 Sanktionen ausgesprochen.
Scheele kritisierte die Vorschriften für junge Arbeitslose. So sieht das Gesetz bei Jugendlichen bereits beim ersten Regelverstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine 100-prozentige Kürzung der Regelleistung vor. Kommt innerhalb eines Jahres ein weiterer Pflichtverstoß dazu, kann auch die Miete gekürzt werden. »Das bereitet uns Sorge, weil die strikten Sonderregelungen bei Jugendlichen zu besonders einschneidenden Leistungskürzungen führen«, sagt Scheele und zeigte sich offen für Veränderungen. Auch Mietkürzungen sieht Scheele problematisch: »Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter.«
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der »Zeit« zu der anhaltenden Debatte über die Sanktionen, Kürzungen seien grundsätzlich in Ordnung, weil die Gesellschaft eine Gegenleistung erwarten könne für die Unterstützung, die sie gewähre: »Aber ich halte es nicht für sinnvoll, dass - wie es derzeit der Fall ist - für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere. Oder dass das Wohngeld gekürzt wird und die Leute auf der Straße stehen.«
Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte die Sanktionen, mit denen Menschen häufig in existenzielle Notlagen gezwungen würden, als verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft und in keiner Weise zielführend. »Sanktionen bringen Menschen nicht schneller in Arbeit, sie werden als Drangsalierung und Ausdruck sozialer Ignoranz wahrgenommen«, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, in Berlin. epd/nd
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