Hunderttausende gegen spanische Repression

Demonstrationen im Baskenland und in Katalonien für die Freilassung politischer Gefangener

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Sechs Monate ist es her, seit die Hatz auf katalanische Aktivisten und Unabhängigkeitspolitiker durch die Sonderrichterin Carmen Lamela begonnen hat.

Es begann mit der Inhaftierung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart - beide Vorsitzende von Kulturvereinen, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzen. Cuixart und der inzwischen in die Politik gewechselte Sànchez, dessen Wahl zum katalanischen Präsidenten gerade von der spanischen Justiz entgegen unverbindlicher Auflagen des UNO-Menschenrechtskomitees zum zweiten Mal ausgehebelt wurde, sind immer noch im Gefängnis. Praktisch die ganze ehemalige Regierung von Carles Puigdemont, der in Berlin im Exil auf einen Entscheid über das spanische Auslieferungsbegehren wartet, wird verfolgt.

Am Sonntagnachmittag haben Hunderttausende Menschen in Barcelona für die Freilassung der politischen Gefangenen demonstriert. Mit fast 1000 Bussen waren sie in die katalanische Hauptstadt gereist, um gegen die Repression und für die Katalanische Republik zu demonstrieren. Da sich eine massive Beteiligung abgezeichnet hat, mussten die Veranstalter den Versammlungsort verlegen. Aufgerufen hat die breite Plattform »Raum für Demokratie und Zusammenleben«, in der neben den großen katalanischen Kulturvereinen ANC und Òmnium Cultural auch die Sektionen der großen spanischen Gewerkschaften in Katalonien vertreten sind. »Für die Rechte und Freiheiten, für die Demokratie und Zusammenhalt wollen wir euch zu Hause«, heißt es in Bezug auf die politischen Gefangenen und Exilierten. Besonders richtet man sich auch gegen die Versuche, eine friedliche Bewegung nicht nur wegen Aufruhr und Rebellion zu kriminalisieren, sondern nun auch wegen »Terrorismus«. Anlass dafür waren die Blockaden von Straßen und Schienen durch die »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR). Die will das Ministerium für Staatsanwaltschaft als Terror definieren. Dazu wurde das Strafrecht 2015 nach den Anschlägen in Frankreich eilig mit den Sozialdemokraten der PSOE geändert - angeblich gegen islamistischen Terror. Nach Ansicht des Sonderberichterstatters der UNO für Menschenrechte ist der Begriff »exzessiv« ausgelegt und dazu sei das Gesetz »sehr schwammig« formuliert.

Im Fall des CDR-Mitglieds Tamara Carrasco folgte der Ermittlungsrichter Diego de Egea zunächst der Einschätzung der Regierung nicht und ließ sie wieder frei. De Egea handelte nicht wie seine Kollegin Lamela. Die ließ im Herbst 2016 baskische Jugendliche anklagen, deren Prozess am Montag beginnt. Wegen einer Körperverletzung will sie und die jungen Leute aus der Kleinstadt Altsasua wegen »Terrorismus« für bis zu 62 Jahre ins Gefängnis schicken. Da sich die Parallelen zu Katalonien aufdrängen, verfolgt man dort den ersten Versuch, ein Exempel über das neue Strafrecht zu statuieren, genau. Viele Katalanen haben sich am Samstag an einer Großdemonstration in Iruña (Pamplona) beteiligt, auf der mehr als 50 000 Menschen ihre Solidarität mit den Angeklagten und ihren Familien bekundet und »Gerechtigkeit« gefordert haben. Die Stadt erlebte wohl die größte Demonstration ihrer Geschichte. Auch das Parlament und die Regionalregierung von Navarra hatten zum Protest aufgerufen.

Insgesamt 375 Haftjahre werden dafür gefordert, dass am frühen Morgen des 15. Oktobers 2016 in der Bar Koxka eine verbale Konfrontation mit zwei paramilitärischen Guardia Civil (außer Dienst) und ihren Partnerinnen zu einer Prügelei eskalierte. Der Offizier und der Unteroffizier wurden dabei leicht verletzt. Nach Zeugenaussagen hätten die Militärs den Streit provoziert, doch praktisch alle Zeugen der Verteidigung wurden vom Sondergericht abgelehnt. Die Verteidiger sprechen deshalb von einer »absoluten Machtlosigkeit« und einer »offensichtlichen Verletzung eines wirksamen Rechtsschutzes«. Sie befürchten wegen des Verhaltens des Gerichts, der Vorverurteilung durch spanische Medien und den »Rachegelüsten« das Schlimmste. Erstmals ist nun gerichtlich die Reform des Terrorismusbegriffs festgezurrt werden, mit unabsehbaren Folgen. Schließlich wurden sogar schon Puppenspieler wegen politischer Darbietungen zeitweise inhaftiert. Praktisch jeder Protest oder Streik könnte bald als Terror in Spanien abgeurteilt werden. Ein Ende der Konfrontation zwischen Spaniens Justiz und den aufbegehrenden Basken und Katalanen ist nicht in Sicht.

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