Eine Koalition der alten DDR-Blockparteien

Dass CDU und LINKE ein Bündnis nicht ausschließen, ist weniger abenteuerlich, als es auf den ersten Blick scheint

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Zeit der Systemauseinandersetzung bis 1990 gab es im Westen eine kleine Gruppe von Vordenkern, die trotz aller damals betonten Unterschiede zwischen Ost und West meinte, dass letztlich beide Systeme einander viel ähnlicher seien, als es den Anschein habe und dass sie sich über kurz oder lang aufeinander zubewegen würden. Diese These scheint nun in Brandenburg bestätigt zu werden.

Der CDU-Landesvorsitzende Ingo Senftleben ließ bereits zu Jahresbeginn durchblicken, dass er nach einem Sieg bei der Landtagswahl 2019 die AfD und auch die LINKE zu Gesprächen einladen würde. Obwohl die LINKE sich öffentlich sehr reserviert zeigte und auf geringe inhaltliche Schnittmengen mit der CDU hinwies, wollte Senftleben zuletzt eine Koalition mit den Sozialisten nicht ausschließen.

Auch die LINKE wollte dies nicht definitiv tun, könnte es doch so kommen, dass ohne eine solche Zusammenarbeit eine Regierung ohne Beteiligung der AfD rechnerisch nicht mehr möglich ist. Natürlich ist wegen des Flirts zwischen CDU und LINKE von »Verrat«, von »Tabubuch«, von »Verletzung der Grundsätze« die Rede. Der Gedanke einer konservativ-sozialistischen Koalition scheint zwar abwegig zu sein, käme es aber doch dahin, so wäre das auch eine folgerichtige Entwicklung. Schon in der ersten Legislaturperiode nach 1990 erregte der damalige CDU-Fraktionschef Peter-Michael Diestel Aufsehen, als er zugab, sich »selbstverständlich« vor jeder Landtagssitzung mit der PDS abzustimmen.

Beide Parteien erlitten bis 1999 als Oppositionsparteien das brandenburgische Sonderschicksal, es mit einer politikbestimmenden SPD zu tun zu haben, die bis 1994 mit FDP und Bündnis '90 koalierte und danach fünf Jahre lang allein. 1999 und 2004 wählte die SPD dann die CDU als Koalitionspartner, 2009 und 2014 verband sie sich mit der Linkspartei.

Natürlich gab es angesichts dieser Lage für Konservative und Sozialisten wenig Grund, Gemeinsamkeiten aufzuspüren. Auch wenn CDU und LINKE historisch betrachtet aus der Nationalen Front der DDR hervorgegangen sind, also vor der Wende jahrzehntelang zusammengearbeitet haben. Vor allem die CDU sah sich ab 1990 genötigt, den Abscheu darüber zu betonen, um diesen Stallgeruch loszuwerden. Trotzdem kam es vor, dass ein CDU-Landrat in der Prignitz mit PDS-Stimmen gewählt wurde. Eine Hintertür blieb offen, ein Vorrat an politischen Gemeinsamkeiten blieb vorhanden.

Um jetzt sogar eine gemeinsame Landesregierung zu erwägen, gehörte aber doch schon mehr. Dafür reichte nicht das theoretisch vielleicht gemeinsame Ziel, die von Ewigkeit zu Ewigkeit regierende märkische SPD auch mal auf die harte Oppositionsbank zu schicken, die sie in Brandenburg nie gespürt hat - zumal SPD und LINKE in Brandenburg als Koalitionspartner seit 2009 recht gut miteinander zurechtkommen. Die SPD durch ein Zusammengehen von der Macht zu verdrängen, das wäre rechnerisch ab 1999 möglich gewesen, als die SPD ihre absolute Mehrheit verlor. Heute übrigens würde das nicht mehr funktionieren. CDU und LINKE allein haben zusammen in den Umfragen keine Mehrheit.

Doch LINKE und CDU haben sich im Laufe der Jahrzehnte, so unglaublich das klingen mag, inhaltlich durchaus aufeinander zubewegt. Die hiesige LINKE legt keinen großen Wert mehr auf ihre Herkunft aus der marxistischen Arbeiterbewegung. Linksfraktionschef Ralf Christoffers hat beispielsweise eine gewisse Mühe, Unterschiede zur SPD zu formulieren. Viel mehr als Kriegseinsätze der Bundeswehr fällt ihm da nicht mehr ein, wenngleich das freilich ein gewichtiger Unterschied ist, dass die LINKE solche Einsätze ablehnt.

Natürlich ist die LINKE auch nicht mit Hartz IV einverstanden, hält das nach wie vor für Armut per Gesetz, und sie kämpft für Gemeinschaftsschulen, die der CDU ein Dorn im Auge sind. Aber etliche Politiker der Linkspartei fassen die DDR heute in erster Linie unter dem Überbegriff des Unrechtsstaats auf. Und was die SPD vor einigen Tagen an Entwicklungszielen für das Land Brandenburg formuliert hat, das ist mit denen Wünschen der Linkspartei nahezu deckungsgleich.

Auch die märkische CDU hat eine Entwicklung hinter sich. Unter dem Ex-Bundeswehrgeneral Jörg Schönbohm kehrte die CDU noch das Image des »Kommunistenfressers« heraus und versuchte mit Warnungen vor der PDS, Wahlkämpfe zu gewinnen, was misslang. Im Zuge der Kanzlerschaft Angela Merkels (CDU) begann die Abkehr von diesem Stil, und in Brandenburg war die CDU besonders Merkel-treu. Geräuschlos aber unweigerlich driftete die CDU Richtung Mitte, Richtung Sozialdemokratie. Dorthin, so muss man es formulieren, wo die LINKE sich tendenziell auch hinbewegt hat, ohne sich schon mit der CDU zu treffen. Auch Grüne und FDP drängten in die Mitte. Der ehemalige FDP-Landtagsfraktionschef Andreas Büttner wechselte in die LINKE, ohne dass er seine Überzeugungen dafür fundamental ändern musste, wenngleich er durchaus eine Wandlung durchmachte.

Aber trotzdem würden die Akteure den Schein des Abstands lieber gewahrt sehen. Es würde niemand über eine Koalition der CDU mit der Linkspartei spekulieren, wenn nicht das Erstarken der AfD dazu zwingen würde. Womöglich kann die AfD allein durch Regierungsbündnisse von der Macht ferngehalten werden, die vor 20 Jahren als abenteuerlich und undenkbar gegolten hätten.

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