Betoniermaschinen fressen Bayern
Landtag in München streitet über Senkung des Flächenverbrauchs - Regierung will lieber Richter entscheiden lassen
Eine Lösung für die Forderung nach einer Obergrenze für den Flächenverbrauch in Bayern ist nicht in Sicht. Bei einer Expertenanhörung am Donnerstag im Landtag plädierten mehrere Wissenschaftler, der Bauernverband und Umweltschützer für eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, Städte- und Gemeindetag lehnten dies weiter ab. Ein Antrag auf ein Volksbegehren in dieser Sache wurde in der vergangenen Woche vom Innenministerium an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof verwiesen.
»Die CSU will den schwarzen Peter an das Gericht weitergeben und ist damit aus dem Schneider.« Das meint jedenfalls Egon Greipl, vormals oberster Denkmalschützer in Bayern und jetzt einer der Unterstützer des Volksbegehrens »Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt«. Dafür wurden immerhin 46 000 Unterschriften gesammelt.
13,1 Hektar Boden werden jeden Tag im Freistaat zubetoniert und in Verkehrs- und Siedlungsfläche umgewandelt. Pro Jahr sind es 48 Quadratkilometer, das ist ungefähr eine Fläche von der Größe des Ammersees. Bundesweit geht es um 61 Hektar pro Tag und damit doppelt so viel, wie die Politik als Richtzahl bis 2020 formuliert hat.
»Das Ziel wurde gewaltig verfehlt«, bemängelt Denkmalschützer Greipl. Für ihn schrillen die Alarmglocken, wenn plötzlich die »Heimat« von den Parteien so hochgehoben wird, dass gar eigene »Heimatministerien« aus der Taufe gehoben werden. Damit die Heimat vor dem Zubetonieren geschützt wird, hat sich ein Bündnis aus ÖDP, Grünen und einem Bauernverband für jenes Volksbegehren engagiert, wodurch dem Flächenfraß in Bayern ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben werden soll. »Alle bisherigen Aktionen der Staatsregierung zum Flächensparen sind gescheitert, ob es das Bündnis für Flächensparen ist oder die Nachhaltigkeitsstrategie«, begründete Ludwig Hartmann, Grünen-Fraktionschef im Landtag, das Volksbegehren. Der Verlust an früherer freier Landschaft in den vergangenen 20 Jahren entspreche dem Wiesen- und Ackerland von 8200 Bauernhöfen. Und mit den Naturlandschaften verschwänden die Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten - wo früher die Bauern Getreide angebaut oder ihre Kühe haben grasen lassen, stünden nun Gewerbegebiete. Auf den zubetonierten Flächen könne zudem das Regenwasser nicht versickern, was die Hochwassergefahr erhöhe. Und es gebe auch soziale Folgen, so der Grünen-Politiker. Die vielen neuen Einkaufszentren am Ortsrand lassen die Dorfzentren veröden. Wer auf dem Land kein Auto hat, hat bei Einkaufen große Probleme. Nach den Vorstellungen der Organisatoren des Volksbegehrens soll das Flächenspargesetz 2020 in Kraft treten. Das dabei geforderte Limit von 4,7 Hektar am Tag stammt aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung.
Die CSU ist in dieser Sache gespalten. »In der Partei gibt es viele, die eine Begrenzung befürworten«, meint Greipl, der auch für die ÖDP im Passauer Stadtrat sitzt. »Wenn die CSU das Prädikat, Sprachrohr der konservativen Bevölkerung zu sein, nicht weiter verwässern will, müssen wir den Flächenverbrauch spürbar eindämmen«, sagt etwa Ex-CSU-Parteichef Erwin Huber. Das will die Staatsregierung nun mit einem eigenen Maßnahmenkatalog tun. Das Volksbegehren lehnt sie freilich ab. Man halte nichts von derart strengen ordnungsrechtlichen Vorgaben, sagt Huber. Hintergrund ist auch, dass die CSU es sich nicht mit den Kommunen verscherzen will. Denn die sind gegen eine gesetzliche Reglementierung des Flächenverbrauchs, weil sie frei über Gewerbeansiedlung und Baulandausweisung entscheiden wollen. Ohne Städte und Gemeinden auf der Seite käme man aber nicht weiter, so Huber.
So verwundert es nicht, dass das zuständige bayerische Innenministerium seine Ablehnung in einer 36-seitigen Vorlage für das Kabinett mit »verfassungsrechtlichen Bedenken« begründet. Der dazugehörige Gesetzentwurf schränke die kommunale Planungshoheit ein, »ohne für Ausmaß und Tragweite dieser Einschränkung wesentliche Entscheidungen zu treffen«.
»Die CSU-Regierung spielt hier lediglich auf Zeit«, meint Grünen-Fraktionschef Hartmann zu der Ablehnung. Mehrere Gutachten hätten längst bestätigt, dass eine Höchstgrenze für den Flächenverbrauch verfassungsrechtlich zulässig sei.
Das letzte Wort haben nun die Richter am Bayerischen Verfassungsgericht. Sollten sie die Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens als gegeben ansehen, müsste es trotz der Ablehnung durch die Staatsregierung zugelassen werden. Eine Entscheidung wird innerhalb der nächsten drei Monate erwartet.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.