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Gebäude sind heute sicherer
In den Textilfabriken in Bangladesch kämpfen die Beschäftigten für existenzsichere Löhne
Kalpona Akter ist sich sicher: »Rana Plaza war kein Unfall. Das war eine menschengemachte Katastrophe und wäre vermeidbar gewesen«, sagt die Gründerin und Leiterin des Bangladesh Center for Worker Solidarity in Erinnerung an den Einsturz der Textilfabrik in Sabhar vor fünf Jahren. In dem achtgeschossigen Gebäude, rund 30 Kilometer entfernt von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, starben 1134 Arbeiter*innen. Fast 2500 wurden zum Teil schwer verletzt.
Die Katastrophe hat Konsequenzen gehabt, heute sind die Textilfabriken deutlich sicherer. Als Reaktion auf die Tragödie wurde die staatliche Überprüfungen der Sicherheit der Textilfabriken in Bangladesch beschlossen und 220 Fabriken unterzeichneten den »Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh« - das erste Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit.
»Erst durch den Accord wurden unsere Fabriken sicherer«, sagt auch Kalpona Akter, die bereits im Alter von zwölf Jahren begann, in Bangladeschs Textilindustrie zu arbeiten, und die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, aus eigener Erfahrung kennt.
Ein Grund, weshalb die couragierte Frau früh auf »schwarzen Listen« der Textilunternehmer landete, denn sie engagierte sich nicht nur für die Arbeitsrechte, sondern auch immer wieder für die Sicherheit der Arbeiter*innen. Um die war es vor dem Accord-Abkommen schlecht bestellt, Brandschutz und Statik spielten in der Praxis keine Rolle, Notausgänge wurden zugestellt, ganze Geschosse aufgesetzt und mit Maschinen und Stoffbergen bestückt.
Gewinnmaximierung lautete die Formel, der auch Parlamentarier wie Sohel Rana, der Besitzer des Fabrikgebäudes in Sabhar folgten. Laut Untersuchungsbericht waren für den Bau minderwertige Materialien verwendet worden, auch das Bauland sei für das mehrgeschossige Gebäude nicht geeignet gewesen. Der Bericht empfahl lebenslange Haftstrafen für den Besitzer des Fabrikgebäudes und für die Besitzer der im Rana Plaza untergebrachten Textilfabriken.
Als Reaktion wurde zudem die staatliche Überprüfung der Sicherheit der Textilfabriken in Bangladesch beschlossen, 220 Fabriken unterzeichneten den »Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh«. Das hat für neue Maßstäbe gesorgt, denn mehr als 1600 Fabriken mit über zwei Millionen Arbeiter*innen wurden überprüft, Auflagen gemacht und Untersuchungsberichte auch veröffentlicht, so dass auf die Beseitigung von Verstößen gepocht werden konnte. Von den 130 000 gemeldeten Verstößen wurden rund 84 Prozent beseitigt und in gravierenden Fällen kam es auch zu Fabrikschließungen. In Bangladesch, wo Fabrikbesitzer oft im Parlament sitzen und Lobbypolitik machen, keine Selbstverständlichkeit.
Existenziell wichtig für die Opfer und Angehörigen war auch der Entschädigungsfonds, der nach den Standards der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zwischen der Regierung in Bangladesch, den Arbeitgeberverbänden, der Nichtregierungsorganisation Clean Clothes Campaign (CCC), den Gewerkschaften sowie den mitverantwortlichen Textilherstellern vereinbart wurde. Doch es dauerte mehrere Jahre, bis Unternehmen wie Benetton, Kik oder die Adler Modemärkte sich bereit erklärten, zu zahlen, oft lagen die Beträge weit unter den Erwartungen. Auf Grund des internationalen Drucks war im Juni 2015 dann aber ausreichend Geld im Fonds, um alle Opfer zu entschädigen - mit ein Erfolg der Kampagnen der Mitgliederorganisationen der Clean Clothes Campaign.
Auch die Weiterentwicklung des Accord-Abkommens von 2013 war alles andere als ein Selbstläufer. Ein Jahr zogen sich die Verhandlungen über den »Transition Accord« hin, den immerhin 140 Unternehmen unterzeichnet haben. Doch es fehlen, so kritisiert die Frauenrechtsorganisation Femnet e.V., noch viele Unternehmen. Darunter auch Ikea, denn erstmals sind auch Heimtextilien im »Transition Accord« erwähnt und da ist der schwedische Möbelriese ein großer Anbieter. Doch der will seine Lieferketten allem Anschein zufolge nicht offenlegen.
Das ist jedoch für Gisela Burckhardt, Vorsitzende des Frauenrechtsvereins Femnet, der erste Schritt, um Verantwortung für die Situation bei den Zulieferern zu übernehmen. »Die Erfahrung von 2013 verdeutlicht ganz klar, dass die Forderungen der Gewerkschaften häufig erst durch internationalen Druck Beachtung finden. Damit die Hersteller sich zu ihrer Verantwortung für ihre Zulieferer bekennen, ist Transparenz ein wichtiger Faktor. Deshalb fordern wir die Offenlegung ihrer Lieferketten«, argumentiert Burckhardt. Ziel der Clean Clothes Campaign, der auch Femnet angehört, ist es, möglichst viele Unternehmen zur Unterzeichnung des »Transition Accord« zu motivieren. Dadurch soll mehr Sicherheit in der Textilindustrie geschaffen werden.
Doch ein anderes Grundproblem bleibt: die Zahlung anständiger Löhne. So liegt der gesetzliche Mindestlohn bei derzeit 5300 Taka, umgerechnet etwa 52 Euro. Die Gewerkschaften haben eine Verdreifachung auf 16 000 Taka, rund 157 Euro, gefordert, denn der Graben zwischen Lebenshaltungskosten und Löhnen ist in den vergangenen Jahren deutlich breiter geworden.
»Da die Löhne in den letzten Jahren durch die Inflation de facto um acht Prozent gesunken sind, ist die Forderung der Gewerkschaft eher moderat«, meint Textilexpertin Burckhardt. Sie kritisiert, dass Gewerkschafter*innen immer noch kriminalisiert und verhaftet werden, Drohungen und Gewalt ausgesetzt sind. Auch Akter spricht über Repressionen und Gewalt, wenn Arbeiter*innen versuchten, einer Gewerkschaft beizutreten oder eine zu gründen, sie selbst war 2010 unter dem Vorwurf der »Aufwiegelung« verhaftet worden.
»Damit sich das endlich ändert, müssen hiesige Unternehmen bei ihren Zuliefern darauf pochen, gewerkschaftliche Rechte zu garantieren«, appelliert Burckhardt an die Auftraggeber.
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