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  • Brandenburg
  • Interview mit LINKEN-Politikerin Anke Schwarzenberg

Bauernland ist in Spekulantenhand

Die rot-rote Koalition versucht, Agrarflächen für ortsansässige Betriebe zu bewahren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Schon vor etlichen Jahren warnte die LINKE, dass große Agrarkonzerne und sogar Investoren, die mit Landwirtschaft überhaupt nichts zu tun haben, in Brandenburg Äcker und Weideflächen aufkaufen und damit den traditionellen Agrargenossenschaften die Lebensgrundlage streitig machen. Welche Ausmaße hat das inzwischen angenommen?

Das Thünen-Institut hat im November 2017 eine Studie »Überregional agierende Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen« vorgelegt. In Brandenburg wurden die Landkreise Märkisch-Oderland und Teltow-Fläming untersucht. Im Ergebnis dieser Studie zeigte sich, dass in Märkisch-Oderland 40 Prozent und in Teltow-Fläming knapp 20 Prozent der Flächen in der Hand nicht ortsansässiger, überregional agierender Eigentümer ist. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Zahl bei 41 Prozent. Das ist bundesweit ein trauriger Spitzenwert. Es folgen Sachsen mit 32, Thüringen mit 23 und Sachsen Anhalt mit 22 Prozent. Als ortsansässige Agrarbetriebe definiert die Thünen-Studie jene, deren Eigentümer weniger als 30 bis 50 Kilometer vom Sitz des Unternehmens entfernt wohnen.

Zur Person
Anke Schwarzenberg (LINKE), geboren 1954 in Hamburg und wohnhaft in Cottbus, trat 1976 in die SED ein, ist Diplom-Ingenieurin für Maschinenbau und hat im Braunkohletagebau und in der Rekultivierung der Gruben gearbeitet, bevor sie 2015 in den Landtag nachrückte. In der Linksfraktion ist Schwarzenberg Sprecherin für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Minderheiten. Zur Bodenpolitik befragte sie Andreas Fritsche.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Ostdeutschland die Bodenreform unter der Losung »Junkerland in Bauernhand«. Wäre das, was wir heute erleben, zutreffend beschrieben mit der Formel »Bauernland in Kapitalistenhand«?

»Bauernland in Spekulantenhand« oder »Bauernland in Holdinghand« beschreibt es besser, denn ihr Geschäftsmodell geht auf Kosten von Mensch und Natur.

Warum liegt es im öffentlichen Interesse, diese negative Entwicklung zu bremsen?

Es geht um die Teilhabe am Boden als Lebens- und Produktionsgrundlage einer nachhaltigen Landwirtschaft. Aber er ist eben auch unser natürlicher Reichtum, der erhalten werden muss. Deshalb ist die Frage »wem gehört das Land?« gerade für uns LINKE eine zentrale gesellschaftspolitische Auseinandersetzung. Böden sind wichtig für die Lebensmittelproduktion, für sauberes Trinkwasser und sie sind wertvoller Lebensraum. In Brandenburg betrug die landwirtschaftliche Nutzfläche im Jahr 2016 insgesamt 1,33 Millionen Hektar. Seit 2008 gibt es weltweit eine verstärkte Nachfrage von landwirtschaftsfremden Investoren nach Flächen. In ihrem Geschäftsmodell sind Lebensmittel nur Mittel zum Zweck der Profitmaximierung, koste es was es wolle. Als LINKE wollen wir dagegen eine ortsansässige Landwirtschaft, die die Lebensmittelversorgung und -souveränität sichert, erst recht in Zeiten des Klimawandels. Dafür muss sie vor explodierenden Bodenpreisen geschützt werden.

Landnahmen gibt es längst nicht mehr nur im globalen Süden oder in Osteuropa, sondern direkt vor unserer Haustür, und die Entwicklung zeigt, dass sich Boden in immer weniger Händen befindet. Hier brauchen wir Schranken. Sonst wird der regionalen Landwirtschaft ihre Legitimation und Existenzgrundlage entzogen.

Was hat die rot-rote Koalition auf Landesebene getan, um das sogenannte Landgrabbing zu bekämpfen?

Dieses Thema beschäftigt die Koalition schon längere Zeit. Es ist wichtig zu verstehen, wie das Grundstücksverkehrsrecht insbesondere für den Kauf und Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen funktioniert. Die Steuerung erfolgt durch drei Bundesgesetze. Das Grundstücksverkehrsgesetz stellt landwirtschaftliche Grundstücksverkäufe unter Genehmigungsvorbehalt und ermöglicht es, Käufe zu untersagen, wenn sie einer gesunden Agrarstruktur zuwiderlaufen. Das schon sehr alte Reichssiedlungsgesetz ermöglicht es, ein Vorkaufsrecht für Landwirtschaftsbetriebe auszuüben. Das Landpachtverkehrsgesetz enthält analog zum Grundstücksverkehrsgesetz Regelungen über Pachtverträge.

In Brandenburg wird der Kauf beziehungsweise Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen in den Landkreisen als untere Landesbehörden kontrolliert. Es bedarf gewichtiger Gründe, um den Verkauf von Flächen an einen überregional aktiven Kapitaleigentümer zu verweigern und stattdessen diese Flächen an einen ortsansässigen Landwirt zu verkaufen. Die Landesregierung hat für die Landkreise einen Erlass erarbeitet, der helfen soll, rechtssichere Entscheidungen zu treffen. Auf unseren Antrag hin wird an einer Höfeordnung gearbeitet. Damit soll die geschlossene Vererbung eines Familienbetriebs an einen Hofnachfolger erleichtert werden. Wir wollen so verhindern, dass Höfe nach dem Tod des bisherigen Bewirtschafters verkauft werden müssen, wobei dann wieder vor allem die Investoren zum Zug kämen.

Bewirtschafteten Genossenschaften 1999 mit 1,7 Millionen Hektar noch noch rund 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ostdeutschland, so sind es aktuell nur noch 23 Prozent.

Konnte Rot-Rot nicht mehr tun?

Das Bodenverkehrsrecht ist zwar in Zuständigkeit der Bundesländer, aber Änderungen greifen in bestehende Bundesgesetzgebung ein. Das betrifft auch unsere Forderung, den Verkauf von Gesellschaftsanteilen, (Share Deals) unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Dafür sind Änderungen im komplexen System des Handelsrechts erforderlich, und das geht nur auf Bundesebene. Hinzu kommt, dass überregional agierende und internationale Kapitaleigentümer nicht an einer Ländergrenze halt machen. Ein einheitliches Vorgehen in Deutschland wäre wichtig.

In Brandenburg haben wir erst einmal die Voraussetzungen geschaffen, dass der Vollzug der bestehenden Gesetze zur Stärkung ortsansässiger Landwirte verbessert wird. Wenn sich herausstellen sollte, dass das nicht reicht, müssen wir über gesetzliche Änderungen im Grundstücksverkehrsrecht nachdenken. Dazu wäre es erst einmal notwendig, ein Leitbild für die brandenburgische Landwirtschaft zu erarbeiten, das die angestrebte Agrarstruktur definiert. Das hat die LINKE auf ihrem letzten Parteitag beschlossen. Wir könnten uns aber auch vorstellen, die Zuständigkeit für das Grundstücksverkehrsrecht wieder an die Bundesregierung abzugeben, damit es bundeseinheitliche Regelungen gibt.

Die Investoren sind inzwischen auf die Idee gekommen, nicht mehr den Boden selbst aufzukaufen, sondern Anteile an Agrarbetrieben, denen der Boden gehört. Sie drücken sich damit um die Grunderwerbssteuer. Summen in welcher Höhe gehen dem Land Brandenburg dadurch jährlich durch die Lappen?

Das können wir leider nicht beantworten, weil es dazu keine landesweiten Daten gibt. Sie werden nicht erfasst. Es geht aber auf jeden Fall in die Millionen. Laut Thünen-Studie haben in den untersuchten Landkreisen Märkisch-Oderland und Teltow-Fläming zirka 6300 beziehungsweise 2100 Hektar durch Verkäufe von Gesellschaftsanteilen den Besitzer gewechselt.

Wie könnte dieses Steuerschlupfloch gestopft werden?

Derzeit fällt die Grunderwerbssteuer beim Erwerb von Anteilen an Gesellschaften mit Grundstückseigentum nur an, wenn mindestens 95 Prozent der Gesellschaftsanteile den Besitzer wechseln. Dies führt zu Umgehungsmöglichkeiten zugunsten von Kapitalgebern, die in der Bundesgesetzgebung unterbunden werden sollten. Die 95 Prozent sind abzusenken.

Wie könnte die fatale Entwicklung rückgängig gemacht werden?

Es muss jetzt schnell gehandelt werden. Die derzeitigen Boden- und Pachtpreise können von den Landwirten kaum mehr bezahlt werden. Die Auswirkungen sind beträchtlich für alle bis zu den Schäfereien. Für die nächste EU-Förderperiode müssen wir darangehen, dass Fördermittel regional verwurzelten Landwirtschaftsbetrieben zugute kommen und nicht überregionalen Investoren.

SPD und LINKE beantragen für die Landtagssitzung an diesem Donnerstag, dass die Landesregierung sich auf Bundesebene für Regelungen gegen Share Deals als Steuertrick einsetzen soll und für die Prüfung, ob Share Deals einer Genehmigungspflicht unterworfen werden können. Glauben Sie, dass der Bund sich darauf einlässt?

Die ostdeutschen Bundesländer sind von dieser Entwicklung besonders betroffen und viele Bundesländer stoßen mit ihren Bemühungen immer wieder an rechtliche Grenzen, die in der Bundesgesetzgebung liegen. Inzwischen sind aber auch die Bodenpreise in den alten Bundesländern derart hoch, dass es so nicht mehr weitergehen kann. An der Frage der Umgehung der Grunderwerbssteuer arbeiten die Finanzminister, da erhoffe ich in absehbarer Zeit ein konkretes Ergebnis.

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