- Politik
- Christliche Symbole in bayerischen Behörden
Söders Krux mit dem Kreuz
Atheistenverband spricht von Wahlkampf-Manöver der CSU / LINKE-Chef Riexinger: Partei solle sich lieber auf christliche Werte wie Nächstenliebe besinnen
München. In allen bayerischen Landesbehörden werden künftig Kreuze im Eingangsbereich hängen. Doch diese sollen kein religiöses Symbol des Christentums sein, sondern laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein »Bekenntnis zur Identität« und zur »kulturellen Prägung« Bayerns. »Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion«, sagte er am Dienstag nach einer Kabinettssitzung, in der die Verordnung für die neue Kreuz-Vorschrift beschlossen wurde. Es aufzuhängen sei auch kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot.
Das Kreuz, das Söder anschließend in der Eingangshalle der Münchner Staatskanzlei anbrachte, hat aber durchaus einen religiösen Hintergrund: Es hing bis 2008 im Kabinettssaal, war ein Geschenk des früheren Münchner Kardinals Friedrich Wetter und wurde nach Söders Worten auch von diesem geweiht.
Bei anderen Parteien in und außerhalb Bayerns handelte sich Söder viel Kritik ein, im Netz erntete er gar Hohn und Spott. »Statt Kruzifixe an Behördenwände zu nageln, würde es der christlichen Verantwortung eher gerecht werden, Barmherzigkeit und Nächstenliebe im politischen Alltag vorzuleben«, sagte zum Beispiel Bayerns Grünen-Landesvorsitzende Sigi Hagl.
Ähnlich reagierte der LINKEN-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger: »Statt jeder Behörde ein Kreuz zu verordnen, sollte die CSU sich lieber wieder auf christliche Werte wie Nächstenliebe besinnen. Da haben Söder und Co. massiv Nachholbedarf.« FDP-Chef Christian Lindner erklärte: »Wie der Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipolitik instrumentalisieren, das erinnert geradezu an (den türkischen Präsidenten Recep Tayyip) Erdogan. Das Grundgesetz hat keine Konfession!«
Der TV-Satiriker Jan Böhmermann schrieb auf Twitter: »Neues bayrisches Gesetz für noch mehr Heimatgefühle: Ab 1. Juni müssen im Eingangsbereich jedes öffentlichen Gebäudes in Bayern ein Kreuz, ein Bündel Knoblauch und ein Schrumpfkopf hängen.« Andere Twitter-Nutzer schrieben »Ich dachte, es gibt eine Trennung von Staat und Kirche« und »Schade, ich hoffte, das Mittelalter hätten wir hinter uns gelassen«. Söder wurde als »Verfassungsfeind« bezeichnet, Bayern als »fundamentalistischer Gottesstaat in Deutschland«.
Atheistischer Bund süricht von Wahlkampfmanöver
Der Vorsitzende des atheistischen Bundes für Geistesfreiheit (BfG), Erwin Schmid, betrachtet die Kreuz-Offensive Söders als Versuch, Wählerstimmen zu sammeln. »Markus Söder hat Angst, dass er die Landtagswahl verliert«, sagte Schmid am Dienstagabend. Seiner Ansicht nach nimmt jedoch die Zahl der konfessionsfreien Wähler in Bayern stark zu. »Sie werden bald die Mehrheit sein.« Das Kreuz bezeichnete Schmid als »sadomasochistisches Symbol«.
Die Frage sei, ob die Gesellschaft auf eine von der Aufklärung geprägte, vernunftbasierte Ethik setzen könne, um ein friedliches Zusammenleben zu gestalten, oder auf eine von einem »Tyrannen« vor 2000 Jahren diktierte Ethik, sagte Schmid. Der BfG vertrete eine vernunftbasierte, auf die Naturwissenschaft gründende Weltanschauung.
Kirchenrechtler hält Kreuz-Pflicht für »heiklen Grenzfall«
Auch der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hält die bayerische Anordnung für problematisch. Evident verfassungswidrig sei die Entscheidung des Kabinetts von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht, sagte der Göttinger Experte für Staatskirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie berühre aber die Verpflichtung des Staates zur religiös-weltanschaulichen Neutralität und stelle daher »einen heiklen Grenzfall« dar, argumentierte der Universitätsprofessor. Zudem sieht der Verfassungsrechtler einen Versuch, eine Religion zu vereinnahmen.
Religionspolitisch wäre zu fragen, »ob dort nicht ein Glaubenssymbol auf problematische Weise politisch instrumentalisiert wird«, sagte Heinig. »Jedenfalls droht seine Banalisierung«, warnte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Bundesverfassungsgericht habe in der Vergangenheit hervorgehoben, dass das Kreuz gerade nicht nur auf kulturelle Prägungen, sondern auf den Kern des christlichen Glaubens verweise und der Staat sich diese Dimension nicht zu eigen machen dürfe.
Die Verordnung gilt ausschließlich für die Ämter des Freistaats, nicht für die Behörden der Kommunen und des Bundes in Bayern – über diese hat die Staatsregierung keine Verfügungsgewalt. Bisher schrieb die Staatsregierung Kreuze nur für die Klassenzimmer der bayerischen Schulen und die Gerichtssäle vor. Kreuze hängen zwar auch in manchen anderen bayerischen Behörden, bislang aber in Eigenregie. Agenturen/nd
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