Kreuz-Pflicht in Bayern löst Kritik aus
Auch in den Kirchen stößt Anordnung auf Skepsis
München. Die bayerische Anordnung zum Aufhängen von Kreuzen in allen Landesbehörden hat überwiegend Kritik ausgelöst. Religionsexperten von SPD, Grünen, FDP und LINKE sahen am Mittwoch durch die Kreuz-Pflicht die Neutralitätspflicht des Staates in Gefahr. Nur die AfD begrüßte den Vorstoß. Kirchenvertreter warnten davor, das Kreuz für politische Zwecke zu missbrauchen.
Das bayerische Kabinett hatte in seiner Sitzung am Dienstag die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert. Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat sei ab dem 1. Juni als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland anzubringen.
Das Bundesinnenministerium wollte die bayerische Kabinettsentscheidung »mit Rücksicht auf unsere föderale Ordnung« nicht kommentieren. Ein Sprecher verwies aber darauf, dass die Bundesregierung für ihre Behörden bereits vor Jahren entschieden habe, dass es der jeweiligen Behördenleitung unterliegt, wie ein Dienstgebäude eingerichtet wird. Auch ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertete die Entscheidung Söders nicht, betonte aber, es gebe »keine Pläne innerhalb der Bundesregierung, ähnlich zu handeln«.
Evident verfassungswidrig sei die Entscheidung des Kabinetts von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht, sagte der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig. Sie berühre aber die Verpflichtung des Staates zur religiös-weltanschaulichen Neutralität und stelle daher »einen heiklen Grenzfall« dar, argumentierte der Universitätsprofessor.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, begrüßte die Anordnung, warnte aber zugleich davor, das Kreuz für politische Zwecke zu missbrauchen. Ein Kreuz an der Wand sei auch eine Selbstverpflichtung, sagte der bayerische Landesbischof am Dienstagabend im Bayerischen Fernsehen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte dem Kölner Bistumssender Domradio, das Kreuz sei kein Identitätszeichen irgendeines Landes oder eines Staates. Schick: »Wir müssen das Kreuz auch vor Fehldeutungen bewahren und vor Missbrauch schützen.«
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, erklärte: »Wir Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz, überhaupt mit der Wertschätzung der Religion im gesellschaftlichen Leben. Die staatliche Neutralität sollte dabei aber stets gewahrt bleiben.« Was nicht gehe, sei eine Doppelmoral, christliche Symbole zu akzeptieren, aber muslimische, jüdische oder andere aus der Öffentlichkeit zu verbannen.
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, äußerte sich im Bayerischen Rundfunk ebenfalls kritisch. Er habe »im Prinzip nichts gegen Kreuze in Dienstgebäuden«, sagte er. Man müsse sich aber schon die Frage stellen, welchen Sinn sie eigentlich haben sollten.
Christine Buchholz, religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, erklärte: »In einem Amtsgebäude hat das Kreuz nichts zu suchen, auch nicht im Eingangsbereich.« Gleichzeitig kritisierte sie, dass in Bayern kürzlich das Tragen des Kopftuches in einem weiteren Bereich, nämlich für Rechtsreferendarinnen, eingeschränkt wurde. »Ich trete für staatliche Neutralität und zugleich für individuelle Religionsfreiheit ein.« epd/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.