Marx und nochmals Marx

Von Karlen Vesper

  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum ein Quadratzentimeter in seiner Wohnung in Berlin-Marzahn ist unbesetzt. An den Wänden Poster, Fotos, Bilder, Grafiken, auf den Tischen und in Schränken Skulpturen, Büsten, Püppchen. Nein, nicht nur von Marx. Der Philosoph aus Trier als forsch voranschreitender Wandersmann wird flankiert von einer indischen Grazie, einer japanischen Geisha und einer ägyptischen Bauchtänzerin. Konterfeis des Mannes mit der Löwenmähne sind umgeben von dergleichen, die Rosa Luxemburg, Che Guevara, Tamara Bunke und Willi Münzenberg zeigen. Dennoch, Marx ist der Liebling des Hans Hübner, Objekt seiner Begierde, einer grenzenlosen Sammelleidenschaft. Auf der Couch sind diverse Bücher von und über Marx ausgebreitet.

Der 1937 in Belzig in der Mark Brandenburg geborene gelernte Eisenbahner studierte Bibliotheks- und Kulturwissenschaften. Er, dessen Vater 1933/34 von den Nazis im KZ Oranienburg eingesperrt war, ist mit Marx seit Kindesbeinen vertraut. Hübner zeigt mir die Ende der 1920er Jahre erschienene »Illustrierte Kultur- und Sittengeschichte des Proletariats« aus der Feder von Otto Rühle, einem sozialdemokratischen und später rätekommunistischen Schriftsteller und Politiker, der 1915 im Reichstag mit Karl Liebknecht gegen die Kriegskredite gestimmt hatte. Darin findet sich auch ein ausführliches Porträt von Marx samt Bildnis. »Das Buch lag bei uns auf dem Küchenschrank«, sagt er, der später als Leiter der Stadtbibliothek Brandenburg sowie dann im Ostberliner Verlag für Agitation sich ernsthaft mit dem Verfasser des »Manifests« und des »Kapitals« befasste. Von beiden Werken besitzt er selbstredend bibliophile Ausgaben. Weitaus größer als sein Bücherfundus ist allerdings seine Sammlung von Zeichnungen, Lithographien, Plakaten, Karikaturen und Postkarten mit Marx-Sujets, geschaffen von namhaften Künstlern, darunter Fritz Cremer, Bernhard Heisig, Arno Mohr, Willi Sitte, Walter Womacka und Klaus Stuttmann. Hübner dürfte wohl über den umfangreichsten privaten Bestand dieser Art verfügen. Gemeinsam mit Rolf Hecker und dem Japaner Shunichi Kubo hat er 600 Marx-Karikaturen in einem Band vereint (»Grüß Gott, da bin ich wieder ...«, Eulenspiegelverlag, 208 S., geb., 25 €). Der Gastgeber schüttelt sein schlohweißes Haupt: »In Strausberg hat mich mal jemand beschimpft: ›Über Marx macht man keine Witze!‹«

Man kann in Hübners Heim stundenlang schauen und staunen. Da gibt es Marx als Sparbüchse, Spieldose, Tasse, Untersetzer ... - und als Marionette, Muppet-Figur und Matroschka, die in ihrem Bauch übrigens auch Leo Trotzki beherbergt.

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